Wien – Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller sieht beim von der Regierung angepeilten "strukturellen Nulldefizit" 2016 noch "eine gewisse Unsicherheit". "Das steht und fällt sehr stark damit, dass die Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Steuerreform greifen", sagte Schratzenstaller. Sie lobt die Konsolidierungsbemühungen der Regierung und drängt auf zusätzliche Reformen.

Positiv sieht Schratzenstaller die Budgetkonsolidierung – also das seit 2011 unter der Dreiprozentgrenze gebliebene Maastricht-Defizit und den für 2016 geplanten "Wendepunkt" bei den Staatsschulden. Sie sollen erstmals wieder sinken, nachdem sie seit Beginn der Wirtschaftskrise um 20 Prozent der Wirtschaftsleistung nach oben geschnellt sind.

Weitere Reformen für strukturelles Nulldefizit nötig

Ebenfalls auf der Habenseite stehen für die Wifo-Expertin Investitionen – etwa in den Breitbandausbau, den Arbeitsmarkt und die Universitäten – sowie die Steuerreform. Damit werde der Anstieg der Abgabenquote gebremst und "eine gewisse Verbesserung der Steuerstruktur" durchgeführt.

Zur Erreichung des "strukturellen Nulldefizits" werden aus Schratzenstallers Sicht aber weitere Reformen nötig sein. "Das ist ein ambitioniertes Ziel und unterstreicht die Notwendigkeit, in strukturellen Reformbereichen etwas zu tun", so die Budgetexpertin. Ansetzen sollte die Regierung aus ihrer Sicht beim Bund-Länder-Verhältnis und dem Förderwesen. Wichtig sei auch, dass der vereinbarte "Kostendämpfungspfad" im Gesundheitswesen halte und das faktische Pensionsalter steige.

Außerdem müsse die Regierung Spielraum für weitere Zukunftsinvestitionen sowie für eine Senkung der Abgabenquote schaffen, betont Schratzenstaller. Bis dahin drängt sie neuerlich auf eine Reform der Steuerstrukturen: also weniger Abgaben auf Arbeit, im Gegenzug höhere Umwelt- und Grundsteuern sowie eine neue Erbschaftssteuer.

Risikofaktoren für das Budget sieht Schratzenstaller neben der Gegenfinanzierung der Steuerreform in der Arbeitslosigkeit. Hier sind zwar knapp 950 Millionen Euro mehr eingeplant als 2015, aber: "Ich glaube, dass angesichts der deutlich steigenden Arbeitslosigkeit das Arbeitsmarktbudget eher eng budgetiert ist." Auch die Ausgaben für die Flüchtlinge sind aus ihrer Sicht nur schwer zu prognostizieren, ein weiterer Anstieg daher nicht auszuschließen.

Felderer erwartet EU-Nein zu Rausrechnen der Asylkosten

Der Chef des Fiskalrates, Bernhard Felderer, glaubt nicht daran, dass das Rausrechnen eines Teils der Flüchtlings-Kosten aus dem strukturellen Defizit 2016 vor der EU-Kommission halten wird. Die Chance, "dass sie das tolerieren, ist sehr gering", meinte er am Mittwoch. Aber auch inklusive jener 0,12 Prozentpunkte wäre das strukturelle Defizit mit 0,66 Prozent des BIP noch im Toleranzrahmen.

Felderer verwies darauf, dass laut EU-Budgetregeln nur einmalige Ereignisse wie etwa Naturkatastrophen oder Budgetschocks aufgrund von Bankenpleiten aus dem strukturellen Defizit herausgerechnet werden dürfen. Und dass die Flüchtlingsbewegungen eine kurzfristige Sache sind, "das glaubt eigentlich niemand", sagte der Experte. Er glaube daher nicht, "dass die EU-Kommission das Rausrechnen absegnet", so Felderer, der betonte, als Privatperson zu sprechen und keinen offiziellen Standpunkt des Fiskalrates zu vertreten. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sieht im Budget 2016 ein strukturelles Defizit von 0,54 Prozent des BIP vor, rechnet dabei aber einen Teil der Kosten für die Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen heraus. Inklusive dieser Kosten würde das strukturelle Defizit bei 0,66 Prozent liegen.

Aber selbst wenn die EU diesen Zug des Finanzministers nicht akzeptiert, wäre das strukturelle Defizit noch im "Toleranzrahmen", um als "strukturelles Nulldefizit" durchzugehen, sagte Felderer. Nach EU-Recht müssten die Mitgliedsländer eigentlich ein strukturelles Defizit von 0,5 Prozent aufweisen (innerösterreichisch ist eine Grenze von 0,45 Prozent vereinbart). Es gilt aber eine Toleranzgrenze von 0,25 Prozentpunkten, um die die vereinbarte Grenze überschritten werden darf.

Umstrittenes Wirtschaftswachstum

Als "optimistisch" bezeichnete Felderer die Annahme des Finanzministers, Österreichs Wirtschaft werde im Jahr 2016 um 1,4 Prozent wachsen. Der Fiskalrat-Präsident verwies darauf, dass es weltweit Konjunktureintrübungen gebe, und man wisse nicht, wie sich dies weiter entwickeln werde.

Hinsichtlich der Steuerreform müsse man abwarten, ob die angepeilten Einsparungen auch tatsächlich erreicht werden, etwa im Verwaltungsbereich. Funktionieren werden jedenfalls die Steuererhöhungen, allerdings hätten die auf der Wachstumsseite ihren Preis. Österreich habe eine der höchsten Abgabenquote im OSCE-Bereich, das Land könne sich daher nicht freisprechen davon, auch selbst einen Beitrag zum langsamen Wachstum geleistet zu haben, sagte Felderer.

Opposition enttäuscht

Nicht begeistert von der ersten Budgetrede Schellings ist die Opposition. Die Grünen fanden sie enttäuschend, die FPÖ sah ein "Budget im Blindflug" und die Neos orteten nur Schlagworte. SPÖ-Seniorenchef Karl Blecha befürchtete, dass mit Reformen Kürzungen und Belastungen gemeint sind.

FPÖ-Mandatar Roman Haider verwies in einer Aussendung darauf, dass "die budgetären Auswirkungen des enormen Migrantenansturms" bisher nicht absehbar seien. "Aber auch die Gegenfinanzierung der Steuerreform ist bisher unklar", zumindest die angepeilten Mehreinnahmen durch die Registrierkassenpflicht erscheinen Haider "mehr als fragwürdig". "Was mir vollständig abgeht, sind Maßnahmen zur Struktur- und Verwaltungsreform, die die Staatsausgaben endlich nachhaltig verringern."

"Die heutige Budgetrede des Finanzministers war leider enttäuschend und weitgehend inhaltsleer", meinte auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig. "Besonders ernüchternd waren die unzähligen Ankündigungen wie etwa Bildungsreform, Arbeitsmarktreform oder Föderalismusreform, die in allen Budgetreden der letzten Jahre zu finden waren und noch immer der Umsetzung harren." Kritik übte sie auch an der "skandalös niedrigen Dotierung" der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit. Bildungssprecher Harald Walser ist das Plus von 106 Mio. Euro für das Bildungsressort zu wenig – "das Aushungern des Bildungsbereichs geht weiter".

Auch Neos-Chef Matthias Strolz vermisste mehr Aufmerksamkeit für den Bildungsbereich. Er attestierte Schelling zwar guten Willen, "er wird aber von zwei ermatteten Parteien in Geiselhaft genommen, deren Handeln von Interessensvertretungen und Landeshauptleuten gelenkt wird". Mehr als Schlagworte seien nicht zu hören gewesen, "so ist nach wie vor nicht klar, wo die Gegenfinanzierung zur Tarifreform herkommen soll".

SPÖ-Seniorenvertreter Blecha bekannte sich zwar zu weiterem Reformbedarf, befürchtete aber Leistungskürzungen in den Bereichen Pensionen, Pflege und Gesundheit. "Der Pensionistenverband wird hier erbitterten Widerstand leisten", kündigte er an, "lassen wir uns doch nicht vom Finanzminister einreden, die Pensionen seien schuld an der Finanzmisere".

Bundesratspräsident Gottfried Kneifel hielt zur Budgetrede fest, dass die Länder reformfreudig und keine Blockierer seien.

Vizekanzler lobt Finanzminister

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht das Budget hinsichtlich des strukturellen Defizits "genau im Entwicklungspfad". Das sagte der Wirtschaftsminister am Mittwoch nach dem Ministerrat unmittelbar vor der ersten Budgetrede von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) im Parlament. Gleichzeitig betonte er, dass dies Österreich nicht vor der "Notwendigkeit weiterer Reformen bewahren wird".

Auch die für 2016 geplante Reduzierung der Schuldenquote von 86,5 auf 85,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bewertete Mitterlehner positiv. Erfreut zeigte sich der ÖVP-Chef auch darüber, dass die Diskussion über das Budget mit den einzelnen Ressorts "ohne größere Aufregung über die Bühne gegangen ist". (APA, 14.10.2015)