Die Flüchtlinge und Migranten werden begleitet von einem Wust krauser und manchmal geradezu hysterischer Gerüchte. Oft handelt es sich um bösartiges Weiterspinnen real existierender Probleme: Der Klassiker wäre etwa, dass dreckige Klos in Flüchtlingsunterkünften daher rühren, dass die Muslime sie nach einem "unreinen" Christen nicht benützen wollen. Wäre es nicht so dumm-traurig, so könnte man seine wissenschaftliche Freude an diesen Lehrbuchbeispielen neorassistischer Essenzialisierungen haben: Alles, was ein Muslim tut, wird seiner Religion zugeschrieben.

Ein schwacher Trost ist, dass die verschwörungstheoretischen Absurditäten auch in anderen Weltgegenden blühen, und besonders dort, wo die Flüchtlinge herkommen.

In Ägypten macht soeben die Salafistenpartei al-Nur Wahlkampf damit, dass sie sich als Bollwerk gegen die Schiiten (etwa ein Prozent der Bevölkerung) präsentiert. Der Hit ist jedoch in einem Bericht aus der Welt libyscher Milizen auf Armeeseite zu finden: Sie glauben gegen "Türken und Freimaurer" zu kämpfen. Während es sich bei Letzterem um den leider ganz normalen Antisemitismus handelt, der in der Region Freund und Feind verbindet, ist Ersteres komplexer. Die Türkei steht ja im Verdacht, die libyschen Islamisten zu unterstützen – aber der antitürkische Reflex wird schon auch damit zu tun haben, dass Libyen bis 1911 osmanisch war. (Gudrun Harrer, 13.10.2015)