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Recht standhaft zeigt sich der Löffler. Der exotische Vogel mit dem signifikanten Schnabel zeigt sich bereits im deutschen Wattenmeer und im Burgenland.

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Wien – Der Goldschakal wanderte schon vor mehreren Jahren vom Balkan aus nach Ungarn, nach Tschechien und nach Österreich, in Deutschland zeigte er sich erstmals 2000 in der Lausitz. Der Ausdauerläufer, der größer als der Fuchs, aber kleiner als der Wolf, sein Feind, ist, mag milde Winter und den Wechsel von Wald und offener Landschaft. Ursprünglich heimisch ist er vor allem in Afrika, Asien und eben auf dem Balkan. 2012 klopfte der Orientale erneut in Mitteleuropa an, als er in Bayern in eine Fotofalle tappte. Der Klimawandel treibt Junggesellen unter ihnen auf Reviersuche also bis nach Süddeutschland. Noch gelten die wenigen Exemplare, die sich dort zeigten, als Irrläufer. Ob sie auf Dauer die deutsche Fauna bereichern, bleibt abzuwarten.

Für die eine Tierart gilt der Klimawandel als Bedrohung, für die andere als Chance. In Afrikas Savannen begünstigt der steigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre das Wachstum von Wäldern. Was langfristig Waldelefant oder Schimpanse freut, entzieht Savannenelefant oder Giraffe den Lebensraum. Während den Eisbären in der Arktis mit dem Schwinden des Packeises ihr Lebensraum wegtaut, wurden an Englands von jeher warmer Südküste schon Mondfische beobachtet, die sonst am Äquator vorkommen, und der Löffler, eine Ibisart, nistet bereits im deutschen Wattenmeer.

Die Leibniz-Gemeinschaft, ein Zusammenschluss deutscher Forschungsinstitute, berichtete zuletzt, dass es vielen heimischen Kaltwasserarten in der südlichen Nordsee zu warm geworden ist. Seit 1962 hat sich das Meerwasser vor Helgoland um 1,7 Grad Celsius aufgeheizt. Inzwischen wandert der Kabeljau vor die norwegische Küste ab. "Im Gegenzug wandern verstärkt mediterrane Warmwasserarten wie Streifenbarbe und Sardelle in die Nordsee ein", berichtet die Forschungsgemeinschaft.

Zum Umsiedeln gezwungen

Viele Arten sind infolge der Erderwärmung zum Umsiedeln gezwungen, manchen eröffnen sich zusätzliche Lebensräume, anderen droht der Artentod, weil sie nicht ausweichen können. Beispiel Eisbär: Im Herbst frieren die großen Seen und Meeresbuchten der Arktis erst später zu – ein Problem für den Polarbären, der auf dem Packeis Robben an ihren Atemlöchern nachstellt und sich im Winter, wenn alles zugefroren ist, den Speck für den mageren Sommer anfrisst.

Was bislang unbekannt war: Dem Eisbären schmilzt mit dem Packeis nicht nur der angestammte Lebensraum weg, er findet auch infolge des Klimawandels seine Paarungspartner schwerer als zuvor. Das größte Landraubtier der Erde kommuniziert über Schweißdrüsensekrete, die es mit den Tatzen im Eis hinterlässt. Die chemischen Signale empfängnisbereiter Eisbärinnen fungieren dabei als Werbebotschaft für mögliche Partner. Das ermittelten zuletzt Wissenschafter des Zoos von San Diego. Die Forscher hatten dazu im Nordpolarmeer Geruchsmarken von Eisbären eingesammelt. Die Proben präsentierten sie anschließend Eisbären in nordamerikanischen Zoos und testeten deren Reaktionen.

In den Experimenten zeigten die Zoobärinnen vor allem im Frühjahr, wenn Paarungszeit ist, Interesse an den arktischen Gerüchen, und zwar auch an jenen anderer Bärinnen. Die männlichen Bären waren vorrangig am Duft der Damen und nicht an jenem der Rivalen interessiert, und das nicht nur zur Paarungszeit. Stammte der Geruch von einer empfängnisbereiten Artgenossin, war das Interesse deutlich höher als bei Gerüchen von Bärinnen, die trächtig waren oder Junge hatten.

Die Klimaerwärmung stellt die Eisbären nun vor das Problem, dass ausgerechnet zur Paarungszeit im Frühjahr nun auch die "Duftrouten" zerrissen werden, denen männliche Bären auf der Suche nach Partnerinnen folgen. "Werden diese Duftrouten durch eine Zerteilung des Habitats durchschnitten, können Eisbären Schwierigkeiten bekommen, Partner zu finden", heißt es in der Studie. Männchen falle es zudem schwerer, aggressiven Rivalen frühzeitig auszuweichen. Die Fortpflanzung werde damit erheblich erschwert, sagen die Forscher.

Andere Vorhersagen in Sachen Fauna und Klimawandel – etwa jene von der Verschiebung von Lebensräumen in Richtung Pole – entpuppen sich als zu schlicht. Beispiel: Kormoran. Bisher waren Forscher davon ausgegangen, dass die Tauchvögel in der Arktis vom Klimawandel profitieren. Die Packeisschmelze gibt ihnen das benötigte offene Gewässer. Wärmeres Meerwasser und wärmere Luft verlangen ihnen weniger Energie ab, um ihre Körpertemperatur zu halten. In der Arktis erweist sich diese Gleichung als Milchmädchenrechnung. Gründe sind die unveränderlichen Lichtverhältnisse und die Energiebilanzen von Vogelzügen. Für die Jagd nach Fischen sind Kormorane auf Tageslicht angewiesen.

Zur Brutzeit ab dem Frühjahr werden die Tage oberhalb des Nördlichen Polarkreises lang und länger, über den Winter legt sich im hohen Norden eine wochen- oder monatelange Polarnacht. Der Evolutionsbiologe Craig White von der australischen University of Queensland kam in einer Studie zu der Prognose, "dass die Überwinterungsgebiete der Kormorane größtenteils unverändert bleiben – und zwar wegen des fehlenden Lichts im Winter". Die Erkenntnisse dürften auch auf andere Beutegreifer der Arktis zutreffen, die auf Licht angewiesen sind, sagt White. Einer Ausdehnung ihrer Habitate nach Norden seien damit Grenzen gesetzt.

Am falschen Platz

Andere Arten könnten gar nicht weiterziehen. Ein Beispiel sind die großen Populationen von Königspinguinen auf dem Crozet-Archipel im südlichen Indischen Ozean. Ihre Bestände gelten mit rund drei Millionen Individuen noch als stabil, doch setzt den Tauchvögeln der Klimawandel zu. "Königspinguine jagen vor allem im fischreichen Südpolarmeer", sagt Nicolas Hanuise, Meeresbiologe an der Universität Straßburg. "Der Anstieg der Meerestemperatur verschiebt die Polarfront nach Süden."

Das vergrößert die Distanz zwischen den Brutkolonien auf den Crozet-Inseln und den Jagdgebieten der Pinguine. Damit werde auf Dauer der Bruterfolg gefährdet, so Hanuise. Steigen die Temperaturen weiter, wird der Archipel zum falschen Ort für die Vögel.

Die Evolution bringt enorme Anpassungsleistungen hervor. Der Südwesten der USA zum Beispiel ist eine Region, in der sich Dürren häufen. Auf welche kreative Art sich eine Amphibienart der Dürre anpasst, erfuhr Nathan Bendik, Umweltwissenschafter in der Stadt Austin, bei Forschungen im texanischen Travis County. Ursprünglich hatte sein Team nur messen wollen, ob sich das Wachstum des seltenen Jollyville-Plateau-Salamanders bei Dürre verlangsamt. Als die Forscher die Salamander nach Monaten der Dürre wieder einsammelten, hielten sie ausgezehrte Schrumpfversionen in ihren Händen.

Die Kopf-Rumpf-Länge der Salamander war um bis zu acht Prozent kleiner als vor der Dürre, der Schwanz um bis zu 23 Prozent. Im Frühjahr darauf hatten die Lurche ihre Verluste wieder kompensiert. Unter Amphibien war das zeitweilige Einschrumpfen des Körpers bisher völlig unbekannt.

"Das Schrumpfen des Körpers könnte eine Anpassung sein, um mit langen Phasen geringen Futterangebots fertigzuwerden", schreibt Bendik in seiner Studie. "Für den weltweiten Niedergang der Amphibienpopulationen ist der Klimawandel eine treibende Kraft." Gestiegene Temperaturen und häufigere Dürren setzten den Kriechtieren zu. Für die Salamander und alle anderen Spezies lautet die Frage, ob sich die Art der veränderten Umwelt anpassen und dabei mit dem Tempo des Klimawandels mithalten kann. (Kai Althoetmar, 18.10.2015)