Ein Blick auf die Sonne am 26. Jänner 2010. Im markierten Quadrat breitet sich in der Sonnenatmosphäre einige riesige Wellenfront aus. Die Aufnahmen gelangen mit Hilfe der Raumsonde STEREO A und zeigen die Sonnenatmosphäre im extremen, ultravioletten Licht,

Fotos: NASA/STEREO A/MPS/AAS

Göttingen – Obwohl unsere Sonne der am besten erforschte Stern ist, hält sie für Wissenschafter immer noch einige Überraschungen bereit, wie ein nun entdecktes bislang unbekanntes Phänomen zeigt: US-amerikanische und deutsche Astronomen haben in der Atmosphäre unseres Zentralgestirns explosionsartige Wellenfronten aufgespürt. Die Wellen treten zusammen mit Helium-3-reichen Partikelströmen auf, also Teilchen einer leichten Spielart des Edelgases Helium. Die gewaltigen, rasanten Wellenfronten tragen möglicherweise entscheidend dazu bei, diese Teilchen ins All zu beschleunigen.

Die in der Fachzeitschrift "The Astrophysical Journal" präsentierte Entdeckung gelang zwei Forschergruppen unabhängig voneinander, nämlich Wissenschaftern um Nariaki Nitta vom Lockheed Martin Advanced Technology Center in den USA und einer Gruppe um Radoslav Bucik vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). Die in der Korona beobachteten Wellenfronten erstreckten sich über mindestens eine halbe Million Kilometer und breiteten sich mit Geschwindigkeiten von etwa 300 Kilometern pro Sekunde aus.

Explosive Wellenfronten

Die Wellen ließen sich in energiereicher ultravioletter Strahlung, der sogenannten EUV-Strahlung, aus der Sonnenatmosphäre aufspüren. "Das neue Phänomen gleicht einer Art Explosion", erläuterte Bucik, der das Team aus Forschern des MPS, der Johns Hopkins University sowie des Jet Propulsion Laboratory in den USA leitete.

Zeitgleich mit der explosionsartigen EUV-Welle schleudert die Sonne Helium-3-reiche Teilchenströme ins All. Solche Ausstöße sind zwar seit Jahren bekannt, ließen sich bisher jedoch nicht erklären. "Wir glauben nun, dass die EUV-Wellen die Helium-3-Teilchen beschleunigen", erklärte die MPS-Wissenschaftlerin Davina Innes.

"Unsere Auswertungen zeigen, dass die Eigenschaften der Wellenfront, wie etwa ihre Energie, auch die Eigenschaften der Teilchen beeinflusst", fügte die MPS-Forscherin Lijia Guo hinzu. Wie dies genau geschieht, ist aber nicht klar. Die Forscher gehen von einem noch unverstanden Mechanismus aus, der die Teilchen ins All beschleunigt.

Zweifacher Blick auf die Sonne

Schlüssel zum Fund der Wellenfronten waren Daten der Nasa-Raumsonden Stereo A und ACE vom Jänner und Februar 2010. Die Sonden ermöglichten es, gleichzeitig aus zwei verschiedenen Richtungen auf unser Zentralgestirn zu blicken. Eine weitere Gelegenheit für solche Beobachtungen wird es laut MPS in den nächsten Jahren nicht geben.

"Stereo A ist das einzige Sonnenobservatorium im Weltall, das nicht nah bei der Erde verharrt, sondern um die Sonne herumfliegt", erklärte Bucik. Während die erdnahe Sonde "ACE" den Helium-3-reichen Teilchenstrom registrierte, lieferte Stereo A Aufnahmen seiner Ursprungsregion in der Sonnenatmosphäre – und der zeitgleichen EUV-Welle. (APA/red, 13.10.2015)