Noch im Sommer haben manche europäische Beobachter ihre skeptische Meinung über das künftige Bild Barack Obamas in der Geschichte revidiert. Trotz der globalen Spionage der US-Geheimdienste löste das von der israelischen Regierung und den Republikanern im Kongress vehement abgelehnte Nuklearabkommen mit dem Iran und der demonstrative Friedensschluss mit Kuba fast weltweit eine Welle positiver Kommentare aus. Neun Studien prominenter Experten in der führenden außenpolitischen Zeitschrift, Foreign Affairs (September/Oktober) haben alle Aspekte Obamas internationaler Leistungsbilanz analysiert und deutlicher als früher auch die Erfolge betont. Chefredakteur Gideon Rose hat in seinem Leitartikel betont, dass die Verbesserungen in der globalen Position der USA während der Obama-Administration die in Syrien, Libyen und Irak begangenen Fehler überwiegen.

Obamas Präsidentschaft seit 2009 steht im Zeichen des Vorranges der Innen- und Sozialpolitik (Reform der Krankenversicherung!) und des Rückzugs aus Irak und Afghanistan. Zugleich hat er konsequent seine Außenpolitik auf Ausgleich ausgerichtet und jede Verstrickung in militärische Interventionen von der Ukraine bis Syrien vermieden.

"Was wir in den vergangenen Jahren gelernt haben, ist, dass kein noch so großes amerikanisches Militärengagement ein Problem lösen kann, wenn sich die Konfliktparteien vor Ort nicht darauf einigen können, irgendwie friedlich miteinander zu leben", so Obama. Vor dem Hintergrund der blutigen Bürgerkriege und der sich ausbreitenden Herrschaft der Terroristen im Nahen Osten entpuppt sich allerdings das Raushalten aus, wie er einmal sagte, "anderer Leute Kriege" immer mehr als das Eingeständnis der Ohnmacht einer hilfslosen Supermacht im krassen Gegensatz zur expansiven, wenn auch hochriskanten Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Gestärkt durch die Annexion der Krim und den erfolgreichen Krieg in der Ostukraine, etabliert Putin Russland mit dem massiven militärischen Eingreifen in Syrien zur Rettung des Assad-Regimes als die eigentliche Ordnungsmacht. Es ist seit der gescheiterten Afghanistan-Intervention in den Achtzigerjahren (mit 15.000 toten russischen Soldaten) der erste Militäreinsatz Moskaus außerhalb der Grenzen der ehemaligen Sowjetunion. Zynisch, eiskalt und mit großem taktischem Geschick entlarvt Putin die Qualifizierung Russlands durch Obama als eine Regionalmacht auf dem Höhepunkt der Ukrainekrise als hohle Phrase.

Mit der Bombardierung der Stellungen der Rebellen, eher als jener der Terrormilizen des "Islamischen Staates" (IS) beschleunigt Putin den Zerfall Syriens, heizt den Krieg an und gibt damit der Massenflucht nach Europa gewaltigen Auftrieb. Es ist ihm zwar egal, doch auch der Friedensnobelpreisträger in Washington bleibt angesichts der Flüchtlingskrise und der unabsehbaren Folgen in den west- und mitteleuropäischen Nato-Staaten auffallend distanziert. Das Versprechen der Einreise 10.000 bis 15.000 zusätzlicher syrischer Asylwerber ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach der Kapitulation vor der Waffenlobby wird Obama nun als ganz lahme Ente auf der Weltbühne von Putin vorgeführt. (Paul Lendvai, 12.10.2015)