Wien – Die Strategie von Bürgermeister Michael Häupl, die Wahl auf das Duell zwischen SPÖ und FPÖ zuzuspitzen, ist bei der SPÖ-Wählerschaft offenbar gut angekommen. 22 Prozent nannten "Strache verhindern / Zeichen gegen Strache" als Wahlmotiv. Das zeigt eine Wahltagsbefragung des Instituts Public Opinion Strategies von Peter Hajek für den TV-Sender ATV (1.200 Befragte).

Häufiger wurde von den SPÖ-Wählern nur das Motiv "mit der Arbeit zufrieden" genannt. Die FPÖ-Wähler nannten das Thema "Asyl/Ausländer" mit 22 Prozent am öftesten – gefolgt von der Unzufriedenheit mit der rot-grünen Stadtregierung. Was für den Zustand der Wiener ÖVP bezeichnend ist: Nach dem Motiv "richtige Themen" gaben die schwarzen Wähler mit 16 Prozent als zweitwichtigstes Motiv "einzig wählbare Partei / geringstes Übel" an. Ideologie und Programmatik lagen bei den Grün-Wählern mit Abstand auf Platz eins – ähnlich wie bei den Neos.

Asyl und Flüchtlinge

Bei diesem Block handelte es sich um ungestützte Fragen – es wurde den Befragten (telefonisch und online) also keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Sprach man die Wähler explizit auf das Asyl- und Flüchtlingsthema an, zeigte sich, dass es nicht nur für FPÖ-Wähler wichtig war.

Wien-weit gaben 56 Prozent an, das Thema sei für die Wahlentscheidung sehr oder eher wichtig gewesen. Damit war die Flüchtlingsfrage nicht ganz so entscheidend wie 14 Tage zuvor bei der Oberösterreich-Wahl (dort waren es 63 Prozent).

Auch für SPÖ- und Grün-Wähler wichtig

Was in der Bundeshauptstadt ins Auge sticht: Zwar wurde dieses Thema von FPÖ-Wählern mit Abstand am häufigsten genannt (für 69 Prozent sehr oder eher wichtig), aber auch bei den SPÖ- und Grün-Anhängern waren es mehr als 50 Prozent. Nur für die Neos-Wähler spielte das Asylthema kaum eine Rolle.

Ins Bild passt: Ein Viertel derer, für die das Asylthema wichtig war, lehnen Ausländer in Wien per se ab. Insgesamt stimmten 17 Prozent der Aussage "Mich stört es ganz grundsätzlich, dass es in Wien Ausländer gibt" eher zu. Bei den FPÖ-Wähler waren es sogar 35 Prozent.

Stenzel-Faktor

Der Wechsel von Ursula Stenzel zur FPÖ war immerhin für 16 Prozent der Blau-Wähler sehr wichtig oder eher wichtig. Somit dürfte die frühere ÖVP-Politikerin der Partei von Heinz-Christian Strache immerhin ein bis zwei Prozentpunkte gebracht haben.

Die Zuspitzung auf Rot gegen Blau spiegelt sich auch in der Frage nach den Spitzenkandidaten wider. Für 78 Prozent der FPÖ-Wähler war Strache sehr oder eher wichtig, bei den SPÖ-Wählern kam Häupl auf 72 Prozent.

Am häufigsten diskutiert

Noch stärker zeichnet sich diese Entwicklung in einer Analyse von ORF/Sora/ISA (2.045 Befragte) ab. Neun von zehn Wählern der jeweiligen Partei nannten dort Strache beziehungsweise Häupl als Wahlmotiv. Bei den Themen, die im Wahlkampf diskutiert wurden, dominieren auch in dieser Wahltagsbefragung Flüchtlinge und Asyl. 58 Prozent der SPÖ-Wähler haben das Thema "sehr diskutiert", bei den FPÖ-Anhängern sind es 81 Prozent. Auch bei ÖVP-, Grün- und Neos-Wählern waren die Flüchtlinge Thema Nummer eins.

Vor der Stimmabgabe wurde am häufigsten über das Asylthema diskutiert.
Foto: newald

Bildung weit abgeschlagen

Das Gefälle ist bei den SPÖ-Sympathisanten am größten. Am zweithäufigsten (aber nur von 29 Prozent) wurde das Thema Bildung und Schule "sehr diskutiert", gefolgt von Wirtschaft und Arbeitsplätze (28 Prozent). Bei den FPÖ-Wählern wurde Sicherheit und Kriminalität von immerhin 54 Prozent angegeben.

Was die Sora-Auswertung ebenfalls zeigt: Die Bundesregierung wird nur von rund einem Drittel der Wähler positiv gesehen. Die rot-grüne Stadtregierung hingegen bewertet eine Mehrheit von 54 Prozent als positiv, bei SPÖ und Grün-Wählern liegt die Zufriedenheit sogar bei 90 Prozent. Allerdings: Der Anteil derer, die Wien als sehr lebenswert einstufen, ist seit 2010 von 78 auf 66 Prozent gefallen.

Koalitionspräferenzen

Bei den Koalitionspräferenzen für die kommenden fünf Jahre unterscheiden sich die Befragungen von Hajek und Sora am stärksten. Laut Hajek wünschen sich 29 Prozent der Wahlberechtigten eine Fortsetzung von Rot-Grün, bei den SPÖ-Wählern sind es sogar 53 Prozent. Rot-Schwarz wollen demnach 18 Prozent der Bevölkerung und Rot-Blau 16 Prozent. Was besonders auffällig ist: Nur sieben Prozent der SPÖ-Wähler wollen eine Koalition mit Strache. Für Hajek zum einen ein weiteres Indiz, dass die Abgrenzungsstrategie funktioniert hat. Aber auch eines, dass jene, die zwischen SPÖ und FPÖ schwanken, großteils bereits bei der FPÖ sind.

Sora weist andere Zahlen aus: Demnach wollen 36 Prozent Rot-Grün, elf Prozent Rot-Schwarz und 19 Prozent Rot-Blau. Eine Dreierkoalition wollen nur ganz wenige.

Nur kleiner Gender-Gap

Die Unterschiede nach Geschlecht sind dieses Mal nicht ganz so ausgeprägt wie bei früheren Wahlen. Hätten nur Frauen gewählt, wäre die SPÖ auf 42 Prozent und die FPÖ auf 30 Prozent gekommen. Unter den Männern schnitt die FPÖ mit 32 Prozent etwas besser ab, die SPÖ erhielt hier 37 Prozent der Stimmen.

Beim Wahlverhalten nach Bildungsabschluss zeigt sich, dass die Freiheitlichen bei Wählern, deren höchster Abschluss eine Lehre ist, vorn sind. Ansonsten ist immer die SPÖ auf Platz eins. (Günther Oswald, 11.10.2015)