"Jeder Technologiesprung erfordert Neuerungen in der Arbeitswelt", sagte Wilfried Sihn beim Forum Personal in Salzburg. Die Industrie 4.0 sei aber "kein Jobkiller", nur Niedrigqualifizierte seien gefährdet.

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"Industrie 4.0 wird Sie alle betreffen", stellte Wilfried Sihn eingangs seines Vortrags beim Forum Personal am Donnerstag in Salzburg klar. Ein Beispiel: Die Ledertasche werde nicht mehr nur zum Transport für Dinge zu gebrauchen sein. Sie werde künftig mit einer Batterie versehen sein, mit der das Smartphone aufgeladen werden kann, und ein eigenes Telefonmodul haben. "Wenn sie die Tasche stehen lassen und sich zu weit entfernen, dann ruft sie bei Ihnen an", veranschaulichtet der Professor der TU Wien.

Vollgestopft mit Sensoren

Smarte Produkte mit einem digitalen Gedächtnis und sogenannte "cyber physical systems", reale Automatisierungsobjekte, die intelligent über Internet miteinander kommunizieren, seien die Zukunft, erklärt Sihn. "Wir werden durch die Telekommunikations- und Informationstechnologie mehr Intelligenz in die Produkte bringen." Dinge würden künftig vollgestopft sein mit Sensoren und rund um die Uhr Daten liefern. Schon heute gebe es einen massiven Softwareanteil, der noch steigen werde.

Auch elektronische Preisschilder, die den Preis anhand der Einkaufszeit ändern können, mit Tablets versehene Einkaufswagen und Schleusen, die registrieren, was sich im Einkaufswagen befindet und die Rechnung automatisch vom Konto abziehen, werden laut Sihn auf uns zukommen – mit weitreichenden Folgen für die Arbeitswelt: "Wir können uns von dem Berufsstand der Kassiererin verabschieden", sagt Sihn.

Kein Jobkiller

Trotzdem sei die Industrie 4.0 "kein Jobkiller", sagt der TU-Professor. Keine Studie gehe davon aus, dass dadurch Arbeitsplätze vernichtet würden. Aber: "Jeder Technologiesprung erfordert Neuerungen in der Arbeitswelt", betont Sihn.

Gefährdet seien Niedrigqualifizierte, die ihre Arbeitsplätze verlieren würden. In Deutschland gehe man derzeit von einer Größenordnung von 600.000 Arbeitsplätzen aus. Dafür würden aber eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden. "Die große Herausforderung wird die Qualifizierung und die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter", sagt der Geschäftsführer der Fraunhofer Austria Research GmbH.

Keine Revolution per Knopfdruck

Im Mittelpunkt der neuen Arbeitssysteme werde noch immer der Mensch stehen, betont Sihn. Eine Hauptfrage sei etwa, wie man ältere Mitarbeiter länger im Beruf halten könne. Dabei komme die robotergestützte Montage ins Spiel. Intelligente Roboter voller Sensorik könnten bei Schwerstarbeit unterstützend eingesetzt werden.

Die bevorstehende vierte industrielle Revolution, die sogenannte Industrie 4.0, sei keinesfalls als Revolution, bei der einfach der Schalter umgelegt werde, zu begreifen, sondern bestehe aus lauter kleinen Schritten und Projekten, erläutert Sihn.

Daten als "Öl der Zukunft"

"Daten sind das Öl der Zukunft", bringt es Sihn auf den Punkt. Mit Daten werde Geld verdient. Nicht umsonst kündigen Google und Apple an, Autos zu produzieren. Den Konzernen gehe es dabei um die Daten. Heute seien wir in der Lage, unglaubliche Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten. Firmen würden aber jemanden brauchen, der etwas damit anfangen könne, betont der Professor am Institut für Managementwissenschaften. Ein Punkt, der für Sihn noch "völlig ungelöst" sei, sei das Thema Datenschutz.

Die traditionelle Jahrestagung des Forums Personal des Österreichischen Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitszentrums (ÖPWZ) beschäftigt sich heuer mit allen Fragen rund um die Herausforderungen für das Personalmanagement der Zukunft. "Voll retro? Ist HR schon im 21. Jahrhundert angekommen?", lautete der Titel des Fachkongresses am 8. und 9. Oktober in Salzburg. (Stefanie Ruep, 10.10.2015)