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Wer war die treibende Kraft hinter den Manipulationen beim VW-Skandal? Wer steckt aller mit drinnen? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Foto: reuters / schmidt

"Ziel der Durchsuchungen war die Sicherstellung von Unterlagen und Datenträgern, die mit Blick auf in Betracht kommende Straftatbestände Auskunft über die genaue Vorgehensweise der an der Manipulation der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen beteiligten Firmenmitarbeiter und deren Identität geben können." Das teilte die zuständige Staatsanwaltschaft in Braunschweig am Donnerstagnachmittag mit.

Ins Visier der Fahnder geriet jedoch nicht alleine die Konzernzentrale in Wolfsburg, aus der große Mengen von Unterlagen und Datenträger hinausgetragen wurden. Durchsucht wurden auch Privatwohnungen von VW-Mitarbeitern. "Es gibt einen Anfangsverdacht gegen mehrere Personen", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn, der kurz nach Bekanntwerden der Manipulationen hatte zurücktreten müssen, sei nicht darunter. Insgesamt waren am Donnerstag 50 Beamte und drei Staatsanwälte an den Durchsuchungen beteiligt.

Manipulationen auch in Europa

Die Affäre, die VW Milliarden und den guten Ruf kostet, könnte sich noch weiter ausweiten. Bislang war bekannt, dass Europas größter Autobauer Abgastests in den USA manipuliert hat. Doch nun berichtet der Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung (SZ), WDR und NDR, dass VW auf Anfrage eingeräumt habe, die mittlerweile berüchtigte Abschaltsoftware auch in Europa eingesetzt zu haben.

Die Software erkennt sowohl in den USA als auch in Europa das Testverfahren. Volkswagen räumte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters ein, dass die in Dieselfahrzeugen eingebaute Software theoretisch eine Testsituation erkennen und die Schadstoffemissionen daraufhin verringern könne.

Ungemacht vom Finanzamt droht

Man prüfe aber derzeit noch, ob und wie weit diese Software dann tatsächlich eingreife. "Auch ist rechtlich noch unklar, ob es sich überhaupt um eine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne der europäischen Normen handelt", erklärte ein Sprecher von VW.

Finanzielles Ungemach droht Volkswagen nun auch am Finanzamt. Die SZ zitiert aus einem Brief des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD) an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Darin verweist Walter-Borjans auf Steuervorteile für Dieselfahrzeuge mit niedrigen Abgaswerten. Wegen der Manipulationen könnten für viele Kfz-Halter die Steuern zu niedrig angesetzt worden sein. Wenn diese nun vom Staat Nachzahlungsbescheide bekämen und dann bei VW sich das Geld durch Schadenersatzzahlungen zurück holen müssten, wäre dies ein komplizierter Vorgang.

Haftung für Steuerschaden

Da der Staat aber auch nicht auf dem Schaden sitzen bleiben dürfe, solle er gleich mit VW selbst eine Lösung ausknobeln. "Im Ergebnis muss Volkswagen für den entstandenen Steuerschaden haften", fordert Walter-Borjans.

Auch die deutsche Autozulieferindustrie will nicht die Zeche bezahlen. Etliche Vertreter fürchten, dass sie nun unter Preisdruck kommen, weil VW die massiven Verluste wieder hereinbekommen muss. Björn Voss, Analyst der Privatbank M.M. Warburg, erklärt gegenüber Reuters: "Eine Forderung nach fünf Prozent Preisrückgang würde einige in Verlust treiben." Aus früheren Krisen hätten die Autohersteller aber gelernt, dass sie Zulieferern Luft zum Atmen lassen müssten.

Doch es könnte auch Gewinner geben, wie etwa Bosch: Zulieferer, die technische Lösungen für das Abgassystem liefern können, das in Misskredit geraten ist. (Birgit Baumann aus Berlin, 8.10.2015)