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Trotz seines gewöhnungsbedürftigen Geschmacks hat Absinth im neuen Jahrtausend wieder eine gewisse Popularität erlangt.

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Nuthetal/Potsdam – Obwohl bei Nahrungsmitteln nicht generell ein Zusammenhang zwischen Bitterkeit und Giftigkeit besteht, gehen Forscher davon aus, dass der evolutionäre Sinn, bitteren Geschmack zu identifizieren, darin liegt, vor dem Verzehr giftiger Nahrung zu warnen. Diese Fähigkeit ist beim Menschen aber recht individuell geprägt, wie das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) berichtet.

Schmecker und Nichtschmecker

Ein bekanntes Beispiel ist die Wahrnehmung der künstlichen Substanz Phenylthiocarbamid. Für diese gibt es "Schmecker" und "Nichtschmecker", je nachdem, ob die entsprechende Person über die intakte Genvariante des Bitterrezeptors TAS2R38 verfügt oder nicht.

Allerdings sind solche Wahrnehmungsunterschiede, die auf eine Mutation in einem einzigen Bitterrezeptor-Gen zurückzuführen sind, sehr selten. Meistens erkennen mehrere der 25 verschiedenen Bitterrezeptoren ein und denselben Bitterstoff gleichzeitig, wenn auch mit unterschiedlicher Empfindlichkeit. Der Ausfall eines Rezeptors ist somit nicht automatisch mit einem Verlust des Bittergeschmacks für diesen Stoff verbunden.

Genetische Grundlagen

Ein Forscherteam um Wolfgang Meyerhof und Natacha Roudnitzky vom DIfE berichtet in der Fachzeitschrift "PLOS Genetics" von den Unterschieden in der Wahrnehmung zweier anderer Bitterstoffe: Grosheimin, das unter anderem in Artischocken enthalten ist, und Absinthin: enthalten in und benannt nach der Wermutspirituose Absinth, einer Modedroge des späten 19. Jahrhundert, die vor einigen Jahren ein kleines Revival gefeiert hat.

Mittels genetischen und sensorischen Untersuchungen an 48 Probanden konnten die deutschen Forscher zeigen, dass die individuellen Unterschiede in der Geschmackswahrnehmung auch davon abhängen, wie die Rezeptorgen-Varianten auf den Chromosomen verteilt sind. Denn sie werden meist nicht einzeln, sondern gruppenweise vererbt.

Artischocken sind nicht für jeden (zu) bitter

Grosheimin wird hauptsächlich von zwei verschiedenen Bitterrezeptoren erkannt: dem sogenannten TAS2R43 und TAS2R46. Die Gene für beide Rezeptoren liegen auf einem Chromosom eng beieinander und werden daher meist gemeinsam vererbt. Das Chromosom weist dabei entweder zwei sensitive oder zwei für den Bitterstoff insensitive Genvarianten auf.

Da jeder Mensch über einen doppelten Chromosomensatz verfügt – ein Satz stammt von der Mutter und einer vom Vater -, besteht in diesem Fall eine etwa 25 prozentige Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind zwei Chromosomen mit insensitiven Rezeptorgenen erbt. Dies bedeutet, dass es Grosheimin nur in sehr hohen Dosen mittels anderer Rezeptoren schmecken kann, während ein Kind mit zwei sensitiven Varianten auf beiden Chromosomen den Bitterstoff bereits in sehr geringen Konzentrationen erkennt.

Anders Absinth

Für Absinthin gibt es ebenfalls zwei spezifische Rezeptoren: den TAS2R30 und den TAS2R46. Die Gene liegen ebenfalls dicht beieinander, ihre Varianten sind jedoch anders verteilt. So findet sich auf einem Chromosom entweder eine sensitive Variante des TAS2R30 und eine insensitive Variante des TAS2R46 oder umgekehrt, eine insensitive Variante des TAS2R30 sowie eine sensitive Variante des TAS2R46.

In jedem Fall erben die Nachkommen also immer wenigstens einen sensitiven Bitterrezeptor, der Absinthin erkennt. Dies erklärt, warum Absinthin und damit auch Absinth für die meisten Menschen bitter schmeckt, während die Wahrnehmung des Geschmacks von Artischocken deutliche Unterschiede aufweist. (red, 8. 10. 2015)