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Durch die Flüchtlingsbewegungen erwarten Österreichs Anwälte einen erheblichen Mehraufwand.

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Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags: "Seit 2008 gab es keine Inflationsanpassung der Anwaltstarife."

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Wien – Der massive Anstieg der Flüchtlingszahlen heizt nun auch den Streit um eine Inflationsanpassung des Anwaltstarifs zwischen Justizministerium und Österreichischem Rechtsanwaltskammertag (Örak) an. Vom jüngsten Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, dass auch in allen Verwaltungsverfahren der Anspruch auf eine unentgeltliche Verfahrenshilfe besteht, werden nämlich auch Flüchtlinge in Asylverfahren profitieren.

Örak-Präsident Rupert Wolff rechnet mit einem beträchtlichen Mehraufwand für Rechtsanwälte. "Dieser gesellschaftlichen Verantwortung werden wir auch selbstverständlich nachkommen", sagt Wolff im Gespräch mit dem STANDARD. Doch im Gegenzug müsse Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) endlich seinen Widerstand gegen eine längst fällige Erhöhung des gesetzlichen Anwaltstarifs aufgeben.

Unentgeltliche Erstauskunft wird ausgesetzt

Im Gegensatz zu regelmäßig steigenden Gerichtsgebühren wurden die allgemeinen Honorarkriterien für Rechtsanwälte seit 2008 nicht mehr inflationsbereinigt. Auch die automatische Anhebung bei Erreichen von zehn Prozent Inflation wurde übergangen, derzeit liegt das reale Minus bei 15 Prozent. Als erste Protestmaßnahme werden heimische Rechtsanwälte ab 1. November ihre unentgeltliche "Erste Anwaltliche Auskunft" aussetzen. Im Vorjahr wurde dieses Service, bei dem in konkreten Fällen über Rechtslage und weitere Vorgehensweise aufgeklärt wird, von 18.000 Bürgern in Anspruch genommen. Solange der Boykott dauert, steht Hilfesuchenden ausschließlich die Rechtshilfe bei Gerichten zur Verfügung.

Justizminister: "Absolut kein Verständnis"

Die Verhandlungen über die Tarifanpassung dauern bereits mehr als zwei Jahre. Von Justizminister Brandstetter hatte es zuletzt geheißen, dass er Verständnis für die Forderung habe, aber eine Anhebung der Tarife nur im Einvernehmen mit dem Finanzministerium und dem Hauptausschuss des Nationalrats herzustellen sei. Für das Aussetzen der unentgeltlichen Erstberatung zeigt Brandstetter "absolut kein Verständnis".

Örak-Präsident Wolff wiederum bezeichnet Brandstetters Aussage als "schlichtweg falsch". Es gebe in dieser Frage kein gesetzlich zwingendes Einvernehmen mit dem Finanzministerium. Aus Wolffs Sicht gibt es keine Alternative zu einer 15-prozentigen Tarifanpassung.

Im Vorjahr gab es 22.213 Bestellungen von Rechtsanwälten zu Verfahrenshelfern. Den Wert der dabei für die Betroffenen unentgeltlich erbrachten Leistungen gibt die Örak mit rund 38 Millionen Euro an. Derzeit gibt es in Österreich 5.940 Rechtsanwälte und 2.072 Rechtsanwaltsanwärter. (Michael Simoner, 8.10.2015)