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Sie suchen wieder Geld, um das unterdotierte Bildungsministerium budgetär durchzubringen. Ein Vorschlag, der bei den Gesprächen im Finanzministerium wieder auf dem Tisch sein soll, lautet: Die Lehrerinnen und Lehrer sollten eine höhere Lehrverpflichtung auferlegt bekommen.

Foto: APA / Patrick Pleul

Wien – Es ist eine Ansage, bei der es auf jedes Wort und auf die Zwischentöne ankommt: "Von mir wird keine Stundenerhöhungsansage kommen." Von ihr, wohlgemerkt. So reagierte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) am Donnerstag auf die im STANDARD kolportierten Pläne, wonach bei den Budgetverhandlungen mit dem Finanzministerium das alte Thema "höhere Lehrverpflichtung" wieder auf den Tisch gelegt werden könnte, um die Finanzlücke im Bildungsressort zu schließen. Denn Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will die aktuell fehlenden 343 Millionen Euro im Bildungsbudget nicht aufstocken. Also sind Alternativen gesucht – und Verhandlerkreise möchten dafür die Lehrverpflichtung anzapfen.

Auch heuer eine Lösung finden

"Es ist bekannt, dass wir mit einem strukturellen Defizit umgehen müssen", sagte Heinisch-Hosek dazu am Donnerstag und schloss – extra betont für sich – eine höhere Lehrverpflichtung aus: "Wir werden das aber auch heuer lösen, ohne darauf zurückgreifen zu müssen."

Natürlich werde man auch demnächst wie jedes Jahr mit der Gewerkschaft verhandeln. So werde man etwa im Rahmen der Gehaltsverhandlungen über strukturelle Fragen reden – auch da werde sie aber keine Erhöhung der Lehrverpflichtung vorschlagen. Vielleicht aber jemand anderer am Verhandlungstisch, an dem über das Bildungsbudget gerungen wird.

Für Kimberger ist das Thema "erledigt"

Den Lehrergewerkschaftern ist es jedenfalls reichlich egal, wer immer das Thema Erhöhung der Lehrverpflichtung wieder auf den Agenda setzt. "Unsere Position dazu ist sehr klar und eindeutig", sagt der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger (FCG), zum STANDARD. "Wir haben ein neues Dienstrecht, das ohne unsere Zustimmung durch das Parlament gebracht wurde, das jetzt in Kraft ist und in das die ersten Kolleginnen und Kollegen eingestiegen sind – und für die gilt ja eine höhere Lehrverpflichtung. Wir haben für eine neuerliche Debatte darüber, auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer Budgetprobleme lösen zu wollen, überhaupt kein Verständnis. Das Thema ist für mich erledigt."

Lehrer wollen sich wehren

Und alle auf der politischen Gegenseite lässt Kimberger, der übrigens nicht davon ausgeht, dass diese neuerlichen Stundenerhöhungspläne aus dem Bildungsministerium kommen, wissen: "Wir werden uns dagegen wehren, sollte dieses Thema noch einmal kommen. Jeder, der es bringt, muss mit heftigem Widerstand der Lehrergewerkschaften rechnen." Dies auch vor dem Hintergrund, dass jetzt mit der Versorgung der Flüchtlingskinder eine zusätzliche Belastung für die Lehrerinnen und Lehrer "wieder ohne ausreichend Unterstützungspersonal zu bewältigen ist".

Quin: "Kommt nicht infrage"

AHS-Lehrergewerkschaftschef Eckehard Quin (FCG) reagiert auf den erneuten Aufguss der Pläne im STANDARD-Gespräch mit Sarkasmus: "Diese Diskussion ist quasi eine Konstante im bildungspolitischen Jahreskreis – wie Ostern oder Weihnachten." Allerdings dann doch mit einem kleinen Unterschied: Das Auftauchen des Osterhasen oder des Christkinds scheint realistischer als eine höhere Lehrverpflichtung, denn, so betont Quin auch jetzt: "Die Position der Lehrergewerkschaft ist unverändert: Das kommt selbstverständlich überhaupt nicht infrage."

Dass das Thema immer wieder aufs Tapet komme, sei schon nachvollziehbar, sagt der Gewerkschafter, sei es doch der schlichteste Weg, in einem Ressort, in dem "das meiste Budget durch Personalkosten gebunden ist, Geld aufzutreiben".

Und sechsjährlich grüßt das Murmeltier ...

Die 343-Millionen-Euro-Lücke im Bildungsministerium sei tatsächlich ein "strukturelles Problem, das nicht von ungefähr alle sechs Jahre kommt", sagt Quin. 2003 hat die damalige Ressortchefin Elisabeth Gehrer (ÖVP) durch Stundenkürzungen Geld aufgetrieben, 2009 wollte Claudia Schmied (SPÖ) es über zwei zusätzliche Lehrverpflichtungsstunden probieren, letztlich wurde das Geld durch andere Maßnahmen (etwa Streichung von Zulagen bei Supplierstunden und Prüfungsgebühren) geholt, und jetzt, 2015, fehlen wieder dreistellige Millionenbeträge.

Ehrlichkeitsproblem der Politik

Quin führt das auch auf ein "grundlegendes Problem mit der Ehrlichkeit oder Transparenz der österreichischen Politik" zurück. Denn jedes Ministerium müsse bei seinen Maßnahmen immer auch die finanziellen Auswirkungen darstellen – und da werde oft einfach zu wenig veranschlagt. Ein Punkt, den die Gewerkschaft immer wieder erfolglos kritisiert habe.

Dass der Finanzminister dann auch nur den von den Ministerien dargestellten Finanzbedarf für bestimmte Reformen überweise, verstehe er auch, "egal, wie man inhaltlich dazu steht", betont Quin – seien es also die kleineren Klassen oder die Neue Mittelschule.

An den Ministeriumsbeamten liegt's nicht

Aber das löse das Problem natürlich nicht: "Das staut sich Jahr für Jahr auf. Denn die Maßnahmen, die man im Parlament beschlossen hat, kosten einfach so und so viel. Es ist ja nicht so, dass die Bediensteten des Ministeriums mit einem großen Geldkoffer heimgehen. Es geht sich einfach wirklich nicht aus mit dem Geld, das da ist."

Wie man das Problem lösen könne, dafür gebe es mehrere Möglichkeiten, erklärt Quin: "Mehr Budget, höhere Lehrverpflichtung, Stundenkürzungen, Rücknahme bildungspolitischer Maßnahmen etc. Das sind politische Entscheidungen."

"Nach Wien-Wahl wird Panik ausbrechen"

Er sieht in der Wien-Wahl eine entscheidende Zäsur: "Nach der Wahl wird die Panik ausbrechen in der Regierung. Das ist immer gefährlich, wenn sie panisch sind." Was ihnen dann einfalle, sei völlig offen. Quin würde übrigens auch "nicht darauf wetten, dass wir am 17. November noch dieselbe Regierung haben wie jetzt, Parteien ja, aber Personen nicht unbedingt". An diesem Tag soll die Schulreform präsentiert werden.

Himmer vertraut auf "Regierungslinie"

Der sozialdemokratische Vizevorsitzende der BHS-Lehrergewerkschaft, Heinrich Himmer, vertraut in dem Fall auf das Wort seiner Parteikollegin: "Ich als Gewerkschafter halte mich da an Gabriele Heinisch-Hosek. Sie ist in dieser Frage unsere Ansprechperson. Und wenn sie sagt, das kommt nicht, dann ist das so."

Darum sehe er in der kolportierten Erhöhung der Lehrverpflichtung "auch keine Bedrohung, weil sie das so klar formuliert hat, und ich gehe davon aus, dass sie das nicht als Privatperson gesagt hat, sondern dass das Regierungslinie ist", sagt Himmer zum STANDARD.

Bleibt aber das Problem mit dem Finanzloch im Schulbudget. "Es braucht das zusätzliche Geld – oder aber der Finanzminister akzeptiert, dass es diesen Fehlbetrag gibt", sagt der FSG-Lehrervertreter.

Mehr unterrichten ist nicht gleich mehr Unterricht

Die Idee, das Geld über eine höhere Lehrverpflichtung hereinzuholen, hält Himmer jedenfalls für keine gute: "Mehr Unterricht für die Lehrerinnen und Lehrer bedeutet ja nicht mehr Unterricht für die Schülerinnen und Schüler. Im Gegenteil. Wer mehr Unterricht zu halten hat, hat automatisch weniger Zeit für andere Dinge in der Schule. Das würde direktes Sparen in der Klasse bedeuten, und das kann niemand wollen, weil es pädagogisch kontraproduktiv wäre."

Unabhängige Gewerkschafter gegen restriktive Budgetpolitik

Die Unabhängigen GewerkschafterInnen im öffentlichen Dienst (UGÖD) und die Österreichische LehrerInneninitiative (ÖLI) erwarten von Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) ein Abgehen von der "restriktiven Budgetpolitik der Regierungsparteien" und dass er bei seiner Budgetrede am kommenden Mittwoch (14. Oktober) "die strukturelle Finanzlücke im Bildungsbereich durch zusätzliche Budgetmittel schließt".

Überdies, so wird extra betont, müsse Schelling "für eine bedarfsgerechte Finanzierung der mit der Aufnahme von Flüchtlingskindern und unbegleiteten Jugendlichen in die österreichischen Schulen Sorge tragen."

Denn, so heißt es in der Stellungnahme des UGÖD-Vorsitzenden Reinhart Sellner: "Gesamtgesellschaftliche und humanitäre Aufgaben können nicht durch die Belastung einer ArbeitnehmerInnengruppe finanziert werden." (Lisa Nimmervoll, 8.10.2015)