Ausspeisung für Flüchtlinge in Sofia.

Foto: Jodi Hilton

Donnerstags immer wird der kleine Laden in der Gebrüder-Miladinow-Gasse aufgesperrt, nicht weit vom Sofioter Hauptbahnhof. Dann wird verteilt, was im Armenhaus der EU für die Flüchtlinge bleibt. Nicht ganz so wenig, wie Alexandra Popowa, eine Mitarbeiterin des Council of Refugee Women in Bulgarien zeigt: Schuhe sind es an diesem Tag, Küchengeschirr, Shampoo und ein Regal voll mit Milchpulver – die jüngste Gabe aus dem Sultanat Oman.

Diese Woche sind die Leute von der Woina Rampa an der Reihe, einem der drei Flüchtlingszentren am Rand der bulgarischen Hauptstadt. "Wir sind arm, sie sind arm, heißt es. Die Bulgaren seien nervös, schreiben die Medien, unsere Wirtschaft ist nicht gut, und jetzt kommen auch noch die Flüchtlinge. Doch die Bulgaren helfen", sagt Alexandra Popowa. "Sie bringen uns Kartons mit Kleidung und Sachen für die Babypflege. Ich bin selbst überrascht."

Leben in alter Schule

Eine syrische Mutter wühlt in den Schachteln mit den Schuhen und sucht nach etwas Brauchbarem. Nisrin Tamir kam im August mit ihrem Mann und vier Kindern nach Bulgarien. Sie ließen ihr Geschäft in Syrien zurück, eine Bäckerei mit Imbiss in Damaskus und in Qamishli, der Kurdenstadt an der syrisch-türkischen Grenze. Rashid, der Ehemann, sah keine Zukunft mehr. "Wir haben jeden Tag die Kämpfe gehört", erzählt der 35-Jährige. "All die Opfer, die wir gebracht haben, sind nur für die Kinder. Sie sollen eine gute Ausbildung bekommen", sagt der Vater. Wo, ist noch nicht sicher. Die Familie wartet in Bulgarien auf die Anerkennung als Asylwerber. Danach will sie weiter nach Europa ziehen. Noch aber sind sie in Woina Rampa, dem alten Schulgebäude, das zum Flüchtlingslager umfunktioniert wurde. "Es ist okay dort", sagt Rashid.

Vor eineinhalb, zwei Jahren noch war es das ganz und gar nicht. Kaum Essen, üble Behausungen, Angriffe durch Ausländerhasser. Bulgariens Behörden waren mit damals 10.000 Flüchtlingen völlig überfordert. Noch im April berichtete die NGO Pro Asyl von Misshandlungen der Flüchtlinge durch die bulgarische Grenzpolizei. Keine weiteren Flüchtlinge mehr, verlangte die orthodoxe Kirche dieser Tage.

Weg übers Gebirge

Die Hilfe bleibt knapp bemessen. Neben dem Roten Kreuz ist der Council of Refugee Women, finanziert vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), die einzige zivilgesellschaftliche Institution, die sich um Immigranten kümmert und auch bei Amtsgängen berät. Bulgariens Flüchtlingsbehörde DAB ist für die Versorgung in den Lagern zuständig. Bulgariens Ruf ist so schlecht und die Wälder des Strandscha-Gebirges mit dem neuen Grenzzaun zur Türkei sind so schwer zugänglich, dass die Flüchtlinge bisher den leichteren Weg über den Westbalkan in die EU nehmen.

Dennoch greift die Grenzpolizei nun jede Woche wieder 300 bis 400 illegale Immigranten auf. Die Schlepper, die für den Tod von 71 Flüchtlingen in dem Kühlwagen auf der A4 im August verantwortlich gemacht werden, sind vor allem Bulgaren. Noch zu Wochenbeginn stoppte die Polizei im Norden Bulgariens einen Lastwagen, auf dem Migranten versteckt waren.

Pläne zur Integration fehlen

Boris Tscheschirkow, der Sprecher des UNHCR in Bulgarien, zeichnet ein durchwachsenes Bild: Bulgarien habe seine Kapazitäten nach der Krise von 2013/14 auf 6.000 Betten verfünffacht, es sei nun besser auf Flüchtlinge vorbereitet als alle Westbalkanländer. Pläne zur Integration aber fehlen. Und die harte Haltung der bulgarischen Grenzpolizei zwinge die Flüchtlinge "in die Hände skrupelloser Schlepper". "Wir sind sehr besorgt über das Management an der Grenze", sagt Tscheschirkow.

Unsicher sei auch, ob das Geld für die sechs Lager in Bulgarien reicht. 4,5 Millionen Euro erhielt das Land im Sommer zusätzlich an Nothilfe durch die EU, umgerechnet 2,5 Millionen Euro sind im Staatshaushalt für dieses Jahr zusätzlich eingeplant; 3,3 Millionen Euro beträgt das Budget der bulgarischen Flüchtlingsbehörde. Doch nächstes Jahr kann schon alles anders sein. (Markus Bernath aus Sofia, 8.10.2015)