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Die Laureaten von links: Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar.

Fotos: AP Photo/Alastair Grant, REUTERS/Kevin Wolf/HHMI und REUTERS/UNC-Chapel Hill

Stockholm – Dritte Runde in Stockholm: Wie die Schwedische Akademie der Wissenschaften Mittwochmittag verkündete, geht der diesjährige Nobelpreis für Chemie an drei DNA-Forscher: den gebürtigen Schweden Tomas Lindahl (Francis Crick Institute, Großbritannien), den US-Amerikaner Paul Modrich (Howard Hughes Medical Institute) und den in der Türkei geborenen Aziz Sancar (University of North Carolina).

Gut ein halbes Jahrhundert nachdem Francis Crick, James Watson und Maurice Wilkins 1962 den Nobelpreis für die Entdeckung der DNA-Struktur erhalten hatten, gibt es den Preis diesmal für darauf aufbauende Erkenntnisse: Die Laureaten werden für die Entschlüsselung des Prozesses ausgezeichnet, wie Zellen beschädigte DNA reparieren und dabei genetische Informationen sichern. Ihre Arbeit ermöglichte grundlegende Erkenntnisse zur Funktion lebender Zellen und sei für die Entwicklung neuer Krebstherapien von enormer Bedeutung, hieß es in der Begründung der Akademie.

Molekulare Werkzeugkiste

Jeden Tag wird unsere DNA durch Faktoren wie UV-Strahlung, freie Radikale und andere krebserregende Stoffe beschädigt. Ständig treten tausende spontane Änderungen im Genom einer Zelle auf. Defekte können auch während der Zellteilung entstehen, einem Prozess, der mehrere Millionen Mal täglich im Körper abläuft.

Noch in den 1970er-Jahren hatte man gedacht, dass die DNA ein sehr stabiles Molekül sei. Tatsächlich aber hat sich gezeigt, dass ein DNA-Molekül auch ohne solche Angriffe von außen von Natur aus instabil ist. Die Forschungen der drei diesjährigen Preisträger drehen sich um den "Werkzeugkasten", der unserem Körper zur Verfügung steht, um solchen Schäden entgegenzuwirken.

Lebenswichtige Mechanismen

Lindahl konnte zeigen, dass DNA mit einer Rate zerfällt, die nach damaligem Wissensstand die Entwicklung von Leben auf der Erde unmöglich machen müsste. Diese Feststellung führte ihn zur Entdeckung einer molekularen "Maschine", die dem Kollaps der DNA permanent entgegenwirkt: die sogenannte Basenexzisionsreparatur.

Sancar untersuchte wiederum den Mechanismus, mit dem Zellen UV-Schäden reparieren, die Nukleotidexzisionsreparatur. Menschen, bei denen ein Defekt in diesem Reparatursystem besteht, entwickeln schon bei geringem Kontakt mit Sonnenlicht Hautkrebs. Es zeigte sich, dass die Zellen dasselbe System nutzen, um Defekte durch erbgutverändernde Substanzen zu korrigieren. Modrich zeigte schließlich, wie Zellen Fehler korrigieren, die bei der Replikation der DNA während der Zellteilung auftreten. Dieser Mechanismus reduziert die Fehlerhäufigkeit um das Tausendfache. Der Forscher konnte in weiterer Folge Schritt für Schritt aufklären, welche Enzyme an der sogenannten DNA-Mismatch-Reparatur beteiligt sind und wie diese detailliert abläuft.

Diese grundlegenden Erkenntnisse hätten das Verständnis der Funktionsweise von Zellen auf eine völlig neue Ebene gehoben, so das Nobelkomitee. "Das Leben, wie wir es heute kennen, ist vollständig abhängig von DNA-Reparaturmechanismen", kommentierte Sara Snogerup Linse aus der Nobeljury für Physik. Praktische Anwendung würden die Entdeckungen der diesjährigen Preisträger vor allem bei der Entwicklung neuer Krebstherapien finden.

Die Preisträger

Tomas Lindahl (77), geboren in Schweden, arbeitete unter anderem am Karolinska-Institut, an der Universität Göteborg, forschte für den Imperial Cancer Research Fund in London und ist derzeit am Francis Crick Institute in Hertfordshire (Großbritannien) tätig.

Der US-Amerikaner Paul Modrich (69) studierte am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Stanford University. Er arbeitet derzeit am Howard Hughes Medical Institute der Duke University in Durham (US-Bundesstaat North Carolina).

Aziz Sancar (69), geboren in der Türkei, studierte an der Universität Istanbul und dissertierte an der University of Texas. Er ist derzeit Sarah Graham Kenan Professor für Biochemie und Biophysik an der University of North Carolina in Chapel Hill. Sancar ist türkischer und US-amerikanischer Doppelstaatsbürger.

Rückblick

Im vergangenen Jahr hatten die US-Amerikaner Eric Betzig und William E. Moerner zusammen mit dem Deutschen Stefan W. Hell den Chemienobelpreis für die Entwicklung der hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie erhalten.

Mit Chemie sind die Vergaben in den naturwissenschaftlichen Kategorien abgeschlossen, am Donnerstag geht es mit dem Literaturnobelpreis weiter. Die Auszeichnung ist wie im Vorjahr mit acht Millionen schwedischen Kronen (848.000 Euro) dotiert. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. (red, 7.10.2015)