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Rod Taylor in der Rolle des Zeitreisenden: Die Verfilmung von H. G. Wells' Roman "Die Zeitmaschine" (1960) zeigt, wie der Traum von der Reise in die Zukunft verwirklicht wird.

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Wien – Der österreichische Logiker Kurt Gödel hatte offenbar eine recht nachdrückliche Art, Menschen zu belehren. Auch seinen langjährigen Freund Albert Einstein, mit dem er in Princeton viele Spaziergänge unternahm, verschonte er damit nicht – und legte ihm anlässlich dessen 70. Geburtstags eine Berechnung vor, wonach eine Zeitreise in die Vergangenheit möglich sein sollte: das Gödeluniversum. Einstein war, so wird es überliefert, schockiert. Hatte er doch in der Allgemeinen Relativitätstheorie eine Zeitreise in die Zukunft durch eine "Abkürzung" in der Raumzeit-Krümmung (zuerst Einstein-Rosen-Brücke, später Wurmloch genannt) angenommen, bezüglich einer Zeitreise in die Vergangenheit war er aber skeptisch geblieben.

In der Speziellen Relativitätstheorie zehn Jahre davor ist überhaupt nur die Reise in die Zukunft und nur dank hoher Geschwindigkeiten möglich. Bekannt aus vielen Physikbüchern ist das Beispiel des Raumschiffs, das mit annähernder Lichtgeschwindigkeit von der Erde wegrast und wieder zurückkommt, dann ist auf der Erde eine längere Zeitspanne verstrichen als auf dem Raumschiff. Astronauten hätten damit also einen Sprung nach vorn geschafft. Die Frage ist nur, wie weit der gelingen mag: Ist ein Raumschiff ein Jahr lang nur mit der halben Lichtgeschwindigkeit unterwegs, dann wäre die Besatzung bei der Rückkehr um 49 Tage jünger als die Menschen auf der Erde – und hätten so aus ihrer Sicht einen Sprung in die Zukunft gemacht.

Kosmonaut im All

Dass das alles nicht nur Theorie ist, wurde von dem Astrophysiker J. Richard Gott von der Princeton University schon berechnet: am Beispiel des russischen Kosmonauten Sergei H. Krikaljow, der in seiner langen Karriere 803 Tage auf der Raumstation Mir im All verbracht hatte. Sie raste mit einer Geschwindigkeit von 27.600 Kilometern pro Stunde auf ihrer Umlaufbahn in einer Höhe von etwa 385 Kilometern rund um die Erde. In der Zeit seines Aufenthalts im Weltraum ist Krikaljow, sagt Gott, um 1/48 einer Sekunde in die Zukunft gereist. Angesichts der Zukunftsreise, die der Wissenschafter in H. G. Wells legendärem Roman The Time Machine (Die Zeitmaschine) unternimmt, natürlich eine herbe Enttäuschung: Hier landet die Hauptfigur im Jahr 802.701 und ist mit einer Zweiklassengesellschaft, den oberen Morlocks und den unteren Elois, konfrontiert. Aber wenn derlei Fiktion wirklich möglich wäre, würden sich wohl viele Menschen kurz verabschieden, um einmal zu schauen, wie die Welt in Zukunft aussehen könnte. Die Neugierde wäre kaum unterdrückbar.

Eine Maschine, wie sie der Held im Roman von Wells bedient, wird es nach bisherigen logischen Maßstäben wohl nicht so bald geben, obwohl sie prinzipiell nicht im Widerspruch zu Einsteins Spezieller Relativitätstheorie steht. Noch unwahrscheinlicher und auch der logischen Kausalität widersprechend wäre allerdings eine Reise in die Vergangenheit. Man stelle sich vor: Dieser Trip könnte zu einer Begegnung mit dem eigenen Großvater führen – und man bringt ihn um. Woraus folgt, dass es einen selbst nie gegeben hat. Man spricht vom "Großvater-Paradoxon". Aber auch vom Schmetterlingseffekt in der Chaostheorie: Abweichungen in der Ausgangssituation eines Prozesses können zu vollkommen anderen Ergebnissen führen.

Grundsätzlich ein verlockender Gedanke: Wer hat noch nie Dinge bereut, die er selbst in der Vergangenheit getan hat – und wer wollte noch nie die Zeit zurückdrehen und mit einer zweiten Chance alles besser machen? Wie der fliegende Held Superman, der – als er vom Tod seiner geliebten Lois Lane hört – verzweifelt die Zeiger der Uhr zurückdreht und schneller als die Lichtgeschwindigkeit um die Erde rast, so lange, bis die Zeit rückwärts läuft, die Erde anhält und sich in die entgegengesetzte Richtung dreht. Zwar war das eine recht eigenwillige Interpretation der Speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein, aber Lois Lane war gerettet.

Der weltberühmte Kosmologe Stephen Hawking sieht das Thema natürlich viel nüchterner. Er hat sich lange mit der Frage der Zeitreisen beschäftigt und wollte sogar ein physikalisches Gesetz aufstellen, das sie verbietet: Die Chronologieschutz-Hypothese, "um die Geschichte für Historiker zuverlässiger zu gestalten". Stephen Kings Buch Der Anschlag erzählt die Geschichte eines Zeitreisenden, der sich in die Vergangenheit begibt, um das Attentat auf US-Präsident John F. Kennedy im November 1963 zu verhindern.

Eine Party ohne Gäste

Hawking und andere Kollegen konnten freilich kein physikalisches Gesetz finden, das Zeitreisen unmöglich macht. Eine Tatsache, die den Physiker nicht daran hindert, weiterhin seine Skepsis zu demonstrieren – mit unverhohlenem Spott gegenüber denen, die an Zeitreisen glauben. Unter anderem erzählt er von einer Party, die er 2009 gab, zu der aber niemand kam, obwohl jeder eingeladen war. Denn Hawking hat die Einladung erst nach dem Fest verschickt, in der Annahme, dass Zeitreisenden aus der Zukunft das nichts ausmacht und sie kraft ihrer Technik doch noch rechtzeitig kommen. Hawking: "Ich saß lange da – und niemand kam." Eigentlich schade, wäre sicher amüsant gewesen.

Wie üblich ist das, was in der Makrowelt des Alltags unmöglich erscheint, in der Quantenphysik recht wahrscheinlich. Forscher der University of Queensland haben vergangenes Jahr am Computer die Zeitreise von Photonen in die Vergangenheit simuliert und bezogen sich dabei auf ein Gedankenexperiment des israelisch-britischen Quantenphysikers David Deutsch und die darin angenommenen geschlossenen Zeitkurven (Closed Timeline Curves, CTC). Sie haben damit eine Verbindung zwischen der Relativitätstheorie und der Quantenwelt geschaffen. Das entsprechende Paper erschien im Fachmagazin "Natur Communications". Einer der Autoren vermutete schon gut 25 Jahre zuvor, dass Photonen das Talent zur Zeitreise haben – da haben sie den Menschen offensichtlich einiges voraus. Was aber kein Grund sein kann, tauschen zu wollen. (Peter Illetschko, 11.10.2015)