Eine gewiefte Schnapsbrennerin (Lynne Ann Williams) besucht eine kleine Marktgemeinde: Eva Hofer, Rupert Lehofer (v. li.).

Foto: Johannes Gellner

Vordernberg – Die obersteirische Marktgemeinde Vordernberg hadert mit der Abwanderung der Bevölkerung – ein Phänomen des postindustriellen Zeitalters. Das ehemalige Zentrum für Roheisenerzeugung nahe den Eisenerzer Alpen zählte früher zu den reichsten Gemeinden des Landes. Heute sind lediglich zwei Gasthöfe übrig geblieben. Zeit für das Theater im Bahnhof, eine künstlerische Bestandsaufnahme vorzunehmen: Black Moonshine. Die Essenz der Freiheit. "Wenn der Schlecker geht, kommen die Künstler." Wie wahr.

In den Barbarasälen (die heilige Barbara ist Schutzpatronin der Bergleute), einem die Patina der letzten Jahrzehnte stolz präsentierenden Veranstaltungszentrum mit grüner Ganzjahresdekoration, markieren zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler (Eva Maria Hofer, Gabriela Hiti, Rupert M. Lehofer, Jacob Banigan) das wenig aufregende Leben im Ort. Teile des Stücktextes gehen dabei auf Recherchematerial bzw. Originalzitate zurück.

Zwetschken werden für einen Kuchen entkernt, Kugelschreiber für den Nebenverdienst zusammengeschraubt. 10.000 sind es, damit das bei vier Cent pro Stück auch eine schöne Summe abwirft. Manchmal kommt die "Raiffeisenbank auf Rädern" in den Ort.

Eine Soundkünstlerin schwirrt durch die Straßen und labt sich an den Tönen, die das beschauliche Leben bietet. Auf ihre Vorliebe für schwarzafrikanische Männer kommt sie gleich zu sprechen, und begibt sich deshalb immer wieder zu dem an der Ortseinfahrt befindlichen Anhaltezentrum, in dem sich mutmaßlich Menschen dunkler Hautfarbe befinden. Auch drei Syrer spazieren durch die projizierte Landschaft.

Diese Künstlerfigur darf man als selbstkritische Implementierung der Theatermacher deuten. Schließlich könnte es als überheblich missverstanden werden, den Einwohnern mit einer Interpretation deren Lebens nahezutreten. Was aber passiert in Black Moon- shine? Eine mysteriöse Frau mit Rollkoffer (Lynne Ann Williams) entsteigt einem Mercedes. Sie bleibt im Stück bezeichnenderweise nur auf der Leinwand präsent, kommt gewissermaßen nie ganz in der Realität des Gemeindelebens an. In der Garage von Stoney (eigentlich Toni), Inhaber einer Tankstelle ohne Zapfsäule, eröffnet sie eine Schnapsbrennerei und bringt mit ihrer selbstbewussten Art das soziale Gefüge ins Wanken.

Es gibt nicht die eine Geschichte von Vordernberg. Und so ergibt auch das in Gemeinschaftsarbeit entstandene, vieles vor Ort aufgreifende und gut verarbeitende Stück (weiters: Ed. Hauswirth, Helmut Köpping, Johanna Hierzegger, Markus Klengel) keine runde Erzählung. Vielmehr stellen recherchierte, aber doch fiktive Momente eines Dorflebens den Blick auf ein Dasein in "strukturschwacher Zone" scharf.

Das Zusammenbauen von 10.000 Kugelschreibern bringt übrigens 400 Euro ein. (Margarete Affenzeller, 6.10.2015)