Die Grünen (im Bild Bundessprecherin Eva Glawischnig) richteten 50 Fragen an Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (im Hintergrund).

foto: cremer

Auch Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda (links) hörte zu.

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Wien – Der Nationalrat mutiert zur Wahlkampf-Arena: In der von ihnen beantragten Sondersitzung brachten die Grünen Dienstagfrüh eine "Dringliche Anfrage" mit nicht weniger als 50 Fragen an Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ein.

Wissen wollen sie von der Ressortchefin unter anderem, wie weit die Koalition bei der von ihr schon vor Monaten angekündigten Bildungsreform gekommen ist, die am 17. November präsentiert werden soll.

Fragen zu Verländerung

Andere Fragen drehen sich um die Kosten einer "Verländerung" der Lehrerverwaltung, eine Auflösung der Landesschulräte oder die Ausweitung der Schulautonomie. Schließlich möchte man von Heinisch-Hosek noch erfahren, ob die Mittel für die Sprachförderung von außerordentlichen Schülern angesichts des Mehrbedarfs durch die Flüchtlingskrise erhöht werden.

Sie sei es leid, ständig zu hören, wie furchtbar das Bildungssystem sei, entgegnete Heinisch-Hosek den Grünen. "Ja, es ist verbesserungswürdig", räumte sie ein, aber die Regierung arbeite daran. "Uns ist der Handlungsbedarf mehr als bewusst." Man wolle die Schulverwaltung "einfacher und vielleicht kostengünstiger" machen und durchsichtiger für Kinder und Eltern. Es werde akribisch gearbeitet, um am 17. November eine "Bildungsreform aus einem Guss" präsentieren zu können, "von der Frühpädagogik bis zur Erwachsenenbildung", versicherte die Ministerin.

Warten auf Mitte November

Welche konkreten Maßnahmen in der Bildungsreform-Gruppe bereits vereinbart wurden, wollten die Grünen in der "Dringlichen Anfrage" wissen – Heinisch-Hosek verriet es allerdings nicht und verwies stattdessen immer wieder auf den 17. November. Angesprochen auf Forderungen nach einer Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung in der Schulverwaltung betonte Heinisch-Hosek, die Empfehlungen des Rechnungshofes würden sehr intensiv diskutiert. Sie könne den Verhandlungsergebnissen aber nicht vorgreifen.

Bezüglich der diskutierten "Verländerung" der Lehrer unterstrich die Ministerin, dass dies ihren Berechnungen zufolge zu Mehrkosten führen würde, "nämlich zu ziemlich hohen". Das Thema spielt für sie aber nicht die Hauptrolle: Eine Verwaltungsreform "muss kommen", aber man dürfe sich nicht an der Frage festklammern, "wer unterschreibt den Gehaltszettel" der Lehrer. Die "Schulaufsicht alt" solle es nicht mehr geben, kündigte sie weiters an, stattdessen solle eine neue Qualitätssicherungsbehörde kommen.

Informationen wollten die Grünen auch zum Vorarlberger Wunsch, eine Modellregion für die Gemeinsame Schule zu werden. Sie stehe dem nicht entgegen, die Gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen sei auch ihr Ziel, bekräftigte Heinisch-Hosek, und zwar ganztägig und mit abwechselnden Unterrichts- und Freizeiteinheiten. Vorarlberg solle ein Modell vorlegen – "ich warte darauf und dann werden wir das beraten".

Zum Thema Schulautonomie ließ die Ministerin nur wissen, dass man natürlich die Schulstandorte stärken wolle, etwa dahingehend, wie man besser inhaltliche Schwerpunkte setzen könne. Auch Öffnungs- und Unterrichtszeiten sollten von den Schulen flexibel gestaltet werden können.

Keine Details

Auch Details zur Finanzierungslücke von angeblich 340 Millionen Euro ließ sich Heinisch-Hosek nicht entlocken. "Es ist immer das Ziel, nicht in der Klasse zu sparen." Man habe die Hausaufgaben gemacht und dem Finanzminister vorgelegt, wie man nächstes Jahr über die Runden kommen will. Probleme wie die Stellenplanüberschreitungen der Länder, die den Bund Millionen kosten, will Heinisch-Hosek im Rahmen des neuen Finanzausgleichs mitregeln. Verhandlungen mit der Bundesimmobiliengesellschaft etwa über die Stundung von Mieten gebe es derzeit nicht.

Glawischnig gegen "Reförmchen"

Die Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig hatte sich davor besorgt gezeigt, dass die Reform ein "Reförmchen" wird. "Wir möchten nicht mehr länger zusehen", dass weiter auf dem Rücken der Kinder Zeit vergeudet werde.

Ein Dorn im Auge ist Glawischnig auch der Proporz bei Besetzungen von Schulposten, stattdessen forderte sie diesbezüglich mehr Transparenz – einer der "Knackpunkte" der Bildungsreform für die Grünen. Einmal mehr warb Glawischnig in ihrer Rede außerdem für die Gemeinsame Schule. Widerspruch aus den Reihen der FPÖ während ihres Beitrags quittierte sie mit der Erinnerung an den "Tetschn"-Sager des damaligen Kärntner FPK-Obmanns Uwe Scheuch – von den Freiheitlichen komme überhaupt kein Beitrag zu einer konstruktiven Bildungsdiskussion, "echt jetzt", kritisierte Glawischnig,.

Zusätzlichen Wahlkampf-Charakter erhält die Sitzung dadurch, dass mit Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) auch zwei Spitzenkandidaten der Wien-Wahl im Nationalrat zugegen sind. Während sich die Neos-Frontfrau nach dieser Sitzung vom Hohen Haus in jedem Fall verabschiedet, wird der freiheitliche Klubobmann das Parlament nur dann verlassen, wenn er zum Bürgermeister aufsteigt.

ÖVP beharrt auf Gymnasien

Für die ÖVP stellte Bildungssprecherin Brigitte Jank unmissverständlich klar, dass ein Aus für die Gymnasien nicht in Frage komme.

Die Volkspartei trete für ein differenziertes System ein, da man auf das beste Schulangebot mit den besten Ergebnissen nicht verzichten könne: "Manner verzichtet auch nicht auf die Manner-Schnitten." Ganz im Gegenteil bewarb Jank die Wahlkampf-Forderung der Wiener ÖVP, sechs weitere Gymnasien in Wien zu bauen.

FPÖ: "Sozialistischer Reflex"

Auch der FPÖ sind die AHS ein besonders Anliegen. Daher ärgerte sich Bildungssprecher Walter Rosenkranz darüber, dass die Gymnasien "am Hungertuch nagen". Dabei handle es sich um einen "sozialistischen Reflex". Wenn etwas nicht ins ideologische Konzept passe, "wird es kaputt gemacht".

"Die 150. Auflage eines 100-jährigen Kampfes in einer ideologiegetragenen Debatte", ortete daraufhin NEOS-Klubobmann Matthias Strolz. Sein Kompromiss in dieser Frage sähe vor, weg von der "dumpfen Zweiteilung der 9,5-Jährigen" zu gehen und statt dessen eine "gemeinsame Schule der Vielfalt" zu gestalten.

Diese verstärkte Schul-Autonomie propagierte auch Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar. Ginge es nach ihm, müsste der Staat nur zwei mal pro Jahr die Leistung kontrollieren, den Rest sollten jene machen, die vor Ort wüssten, was der Bedarf sei.

Gar nicht gefällt dem Stronach-Mandatar, dass die Politik zentral in jede kleinste Klasse hineinregieren wolle. Das erinnere ihn an die Sowjetunion, so Lugar. Einer Entpolitisierung redete auch Strolz das Wort: Das Parteibuch als derzeit wichtigstes Buch in der österreichischen Schule müsse raus aus dieser.

Grünen-Bildungssprecher Harald Walser drängte darauf, eine grundlegende Schulreform jetzt einmal wirklich anzugehen. Eltern, Schüler, Lehrer – alle hätten keine Geduld mehr. Was es aus seiner Sicht braucht, ist eine "gemeinsame Schule" und das gut vorbereitet. Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl tadelte Walser, da dieser gemeint hatte, dass es nach einer Schulreform neben der "Wiener Mittelschule" "meinetwegen" auch die AHS weiter geben könnte. Halb schwanger gehe nicht, meinte dazu der Grünen-Mandatar.

Wie davor Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wandte sich SP-Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann dagegen alles schlecht zu reden. Das Bildungssystem in Österreich sei wesentlich besser als sein Ruf. Reformen würden auch beherzt und professionell angegangen, etwa über die Bildungsreformkommission. Walser hatte davor beklagt, dass die Lehrer nicht ausreichend eingebunden würden. Grossmann und Jank sehen das ganz anders.

(APA, 6.10.2015)