Mit einer öffentlichen Sitzung hat die Bioethikkommission am Montag eine Diskussion des Themas "Medizin und Ökonomie" gestartet. Unter anderem soll dabei der gerechten Verteilung begrenzter Ressourcen und dem Generikaeinsatz nachgegangen werden, hieß es bei einem Hintergrundgespräch vor Beginn der Sitzung. Empfehlungen der Kommission sollen spätestens in zwei Jahren vorliegen.

Die Bioethikkommission hat bereits im Februar dieses Jahres Empfehlungen zum Thema "Würde am Ende des Lebens" vorgelegt, im Sommer dann zu Impfungen und partizipativer Medizin. Nun beginne man das Thema "Medizin und Ökonomie", kündigte die Kommissionsvorsitzende, Christiane Druml, an. Das Thema spiele freilich bei etlichen anderen Themen mit eine Rolle und daher habe man sich nun für eine tiefergehende Auseinandersetzung entschieden, erklärte sie.

Diskussion starten

Die Bioethikkommission hat schon in einigen schwierigen Fragen an der Grenze zwischen Medizin und Ethik herausgefiltert, was gesellschaftlich und ethisch wünschenswert ist – und hat daraus Leitlinien entwickelt. Sie berät nicht nur den Bundeskanzler, sondern hat auch Einfluss auf die gesamte Politik und die Gesetzgebung, wie etwa am Beispiel der Fortpflanzungsmedizin zu sehen war.

"Die Politik hofft auch im komplexen Bereich von Medizin und Ökonomie auf die Expertise der Kommission, die wohl ohne Tabu der schwierigen Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen nachgehen wird", sagte Bundesminister Josef Ostermayer bei der Eröffnung der öffentlichen Sitzung der Bioethikkommission zum Thema "Medizin und Ökonomie – Ein Tabu?" am Montag in Wien..

Die Vorsitzende der Kommission, Christiane Druml, skizzierte das Anliegen: "Österreich hat unbestritten eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Doch die Mittel sind endlich, die Hochleistungsmedizin teuer. Die Entscheidung über die Verteilung ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir werden das sehr komplexe Thema von ärztlicher, sozialer und ethischer Seite beleuchten und eingrenzen. Doch es ist klar: "Im Mittelpunkt muss das Wohl des Einzelnen und die soziale Gerechtigkeit stehen."

Mehr Generika

In ihrem Problemaufriss skizzierte Alena Buyx, Professorin für Medizinethik an der Universität Kiel, die schwierige Frage der Verteilungsgerechtigkeit angesichts von Ressourcenknappheit, demografischer Entwicklung und Ökonomisierungstendenzen. Der einzige Lösungsansatz sei evidenzbasierte Priorisierung medizinischer Leistungen, um den Ressourceneinsatz zu optimieren, so das Credo des Medizinethikers Georg Marckmann.

Diskussionskoordinator Wallner fasst zusammen: Im medizinischen Bereich seien immer schon ökonomische Interessen involviert gewesen, doch die Logik der Ökonomie habe derzeit die Logik des Heilens überflügelt. Der Grat zwischen Rationalisierungen und Rationierungen, von der Vermeidung von Verschwendung und dem Vorenthalten wünschenswerter Leistungen wie persönlicher Betreuung, sei schmal und alles andere als einfach zu begehen.

Marckmann fasste das Problem zusammen: "Das, was wir tun können, klafft immer weiter von dem weg, was man sich leisten kann." Zunächst geht es daher laut Kommissionsmitglied Jürgen Wallner darum, für das Thema zu sensibilisieren.

Besser steuern

Hepatologe Ferenci, der anhand der Preisexplosion für Hepatis-Medikamente die herausragende Macht der Pharmabranche darstellte, verlangte nach mehr Steuerung durch die öffentliche Hand. Denn "Shareholder-Orientierung" sei "die beste Garantie, die Kosten noch zu erhöhen". Generika hingegen böten großes Einsparpotential, so Pharmakologe Wolzt, in Österreich werde dieses Potential aber noch nicht entsprechend genutzt. Zudem wisse die Pharmaindustrie die Preisreduktionen zu verzögern.

So "plakativ" die Medikamentenpreise auch sind, die großen Posten seien die Personalkosten, gibt Wallner zu bedenken. Dort liegen die "großen Hebel", allerdings auch Risiken. Wallner nennt ein Beispiel: Werde etwa im Nachtdienst auf einer Station eine Krankenschwester eingespart, könnte dies zu erhöhtem Medikamenteneinsatz führen, um Patienten "ruhig zu stellen". Er schlug hingegen beispielsweise mehr Standardisierungen zugunsten der Patienten und die Vermeidung von Wartezeiten und Leerläufen vor.

Dynamik im System

Der Hepatologe Peter Ferenci stimmt zwar zu, dass die Personalkosten der größte Posten sind. Das Defizit der Wiener Gebietskrankenkasse 2014 sei jedoch zum größten Anteil auf die Medikamentengruppe bei Hepatitis C zurückzuführen. Ferenci sprach in diesem Zusammenhang auch von "unbezahlbaren Therapien".

Die Ethik müsse die Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der Fairness der Zuwendungen und den Respekt vor Lebenseinstellungen der Betroffenen berücksichtigen. "Wir reden immer von Kosten, nie von Investitionen und moralischen Gewinnen. Die Organisation der Medizin sollte aber nicht Gewinn maximierend agieren, sondern gemeinnützig."

Druml erklärte, in die Diskussion werden nicht nur Experten, sondern auch Betroffene einbezogen. "Willkürliche Altersgrenzen" für eine Behandlung etwa würden nicht gesetzt: "Wir wollen keinen Katalog ausstellen."

Was medizinische Studien betrifft, sprachen sich die Experten für mehr unabhängig produzierte Untersuchungen aus. Auch sollten der Genderaspekt und ganz generell die langfristigen Auswirkungen von Entscheidungen berücksichtigt werden. (APA/red, 5.10.2014)