Der Mann, der die Computer noch ein bisschen smarter machte: Michael Fassbender als herrischer Apple-Chef Steve Jobs in Danny Boyles Film, der kein Biopic sein will.

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Universal Pictures

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vipmagazin

"Es ist", sagt Steve Jobs (Michael Fassbender), "als ob vor jeder Produktvorstellung die Leute wie Betrunkene an der Bar ihre Probleme mit mir besprechen wollten." So lässt sich die Handlung des mit Spannung erwarteten Films über den verstorbenen Chef von Apple auch zusammenfassen: nicht eine Geschichte seines Lebens, sondern drei Episoden, die das Widersprüchliche seines beruflichen wie privaten Werdegangs beispielhaft verdichten.

Steve Jobs hatte am Wochenende beim New York Film Festival Premiere. Die Handlung setzt an einem Jännertag 1984 ein, eine halbe Stunde bevor der Apple-Chef seinen neuen Stolz, den Macintosh-Computer, vorstellen wird. In der schon angespannten Situation treten technische Probleme auf, die er autoritär zu lösen versucht.

Dazu erwartet ihn seine Ex-Freundin Chrisann (Katherine Waterson) mit der gemeinsamen Tochter Lisa. Er leugnet die nachgewiesene Vaterschaft, doch es wird deutlich, dass er an der Fünfjährigen Anteil nimmt – auch wenn er ihr versichert, dass die Namensgleichheit mit dem Apple-Computer Lisa reiner Zufall ist. Die Zeit wird immer knapper, seine Marketing-Chefin Joanna Hoffman (Kate Winslet) hat größte Mühe, ihn auf die Bühne, zum ersten seiner legendär gewordenen großen Auftritte zu treiben.

Autoritär, verletzend

Vier Jahre später ist Jobs nicht mehr Herr im Haus Apple. Der von ihm bestellte CEO John Sculley (Jeff Daniels) hat ihn gefeuert, und nun will er mit dem NeXT-Computer zeigen, wer die besseren, die perfekten Geräte bauen kann. Joanna ist an seiner Seite, Sculley kommt vorbei, der enttäuschte alte Weggefährte Steve Wozniak (Seth Rogen) ebenfalls, seine Tochter verwickelt ihn in Gespräche über Pflicht und Wünsche und über Joni Mitchells Song mit dem bezeichnenden Titel Both Sides Now. Und wieder laviert Jobs unter Zeitdruck zwischen den beiden Seiten seines Charakters, seinen herrischen Ansprüchen und der dämmernden Einsicht, wie sehr er nahestehende Menschen verletzt.

Die letzte Episode – der Product- Launch des iMac 1998 – bringt die Protagonisten ein drittes Mal zusammen und schließt mit der Aussicht auf ein gutes Verhältnis zwischen Vater und Tochter.

Drehbuchautor Aaron Sorkin (West Wing, The Social Network) bezog sich lose auf Walter Isaacsons Biografie, aber, wie er nach der Vorführung auf der Bühne betonte, "ich wollte kein Biopic schreiben". Stattdessen gestaltete er mit dem britischen Regisseur Danny Boyle (bekannt vor allem durch Trainspotting und Slumdog Millionaire) eine Art Kammerspiel in den klaustrophoben Gängen und Hinterzimmern der jeweiligen Auditorien.

Die Dialoge schälen das Getriebene, oft wenig Sympathische des Apple-Gründers heraus, das Mono- und Egomanische, das bereits in Rückblicken auf die berühmte Garage in Cupertino deutlich wird. Das Korsett der knappen Zeit und die ständigen Aufrufe, sich bereitzuhalten, tragen zur Dramatik der Handlung bei, unterstrichen von einer manchmal sehr dynamischen, dann wieder fast schmerzlich ruhig verharrenden Kamera.

Wer sich eine ausführliche Darstellung von Jobs' Anfängen bis zu seinem Tod erwartet, der ist mit dem vor kurzem vorgestellten Dokumentarfilm Steve Jobs: The Man in the Machine besser bedient. Boyles Film hingegen konzentriert sich erfolgreich auf die Frage, ob man nicht, in den Worten Wozniaks, anständig und hochbegabt zugleich sein könnte: "It's not binary!"

Die Zuschauer, sagte Isaacson, würden sich wohl nachher überlegen, ob Steve Jobs das alles geschafft hätte, "wenn er ein netterer Mensch gewesen wäre". (Michael Freund aus New York, 5.10.2015)