Bild nicht mehr verfügbar.

Die Physik-Laureaten: Arthur B. McDonald (links) und Takaaki Kajita.

Foto: AP/Fred Chartrand/The Canadian Press und AP/Kyodo News

Bild nicht mehr verfügbar.

Neutrinoforschung wird weltweit betrieben – mit der Station Ice Cube sogar in der Antarktis.

Foto: REUTERS/Emanuel Jacobi/NSF

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Neutrinodetektor des mit Cern kooperierenden Opera-Experiments in Italien diente ebenfalls zur Untersuchung von Neutrino-Oszillationen.

Foto: REUTERS/CERN-INFS

Stockholm – Die zweite Entscheidung ist gefallen: Wie die Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm Dienstagmittag bekanntgab, geht der diesjährige Nobelpreis für Physik an den 56-jährigen Japaner Takaaki Kajita (Universität Tokio) und den 72-jährigen Kanadier Arthur B. McDonald (Queens-Universität, Kingston) für die Entdeckung von Neutrino-Oszillationen, die zeigt, dass Neutrinos eine Masse haben.

Diese Entdeckung habe unser Verständnis der inneren Funktionsweise der Materie verändert und könne sich als entscheidend für unsere Sicht des Universums erweisen, hieß es in der Begründung der Akademie.

Altes Rätsel gelöst

Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen und nach den Photonen die zweithäufigste Teilchenart im Universum. Sie wurden 1930 von dem österreichischen Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Pauli vorhergesagt, ihr Nachweise gelang erst 1956. Die Erde steht unter einem ständigen "Bombardement" von Neutrinos.

Kajita hatte schon 1988 herausgefunden, dass es auch ein Defizit einer der drei existierenden Neutrino-Arten gibt, die in der Atmosphäre erzeugt werden, wenn die kosmische Strahlung auf Luftmoleküle trifft. Um die Jahrtausendwende veröffentlichte er die Entdeckung, dass Neutrinos aus der Atmosphäre zwischen zwei Identitäten wechseln: Der 1996 in Betrieb gegangene Neutrinodetektor Super-Kamiokande lieferte erste Hinweise auf die Oszillation der Teilchen – und damit darauf, dass sie eine Masse besitzen.

Unterdessen konnte ein kanadisches Forscherteam um McDonald zeigen, dass auch Neutrinos von der Sonne auf dem Weg zur Erde (genauer gesagt zum Sudbury Neutrino Observatory) nicht einfach verschwinden: Stattdessen nehmen sie eine andere Identität an – sie oszillieren. Die Entdeckung gilt als überzeugender Nachweis der Erklärung des Rätsels der solaren Neutrinos durch Neutrino-Oszillationen (MSW-Effekt).

Folgenreiche Entdeckung

In Messungen auf der Erde fehlten bislang bis zu zwei Drittel der Neutrinos, die theoretischen Berechnungen zufolge vorhanden sein müssten. Die beiden experimentellen Nachweise hätten dieses Mysterium gelöst: Die lange Zeit für masselos erachteten Neutrinos besitzen eben doch eine Masse, wie gering auch immer sie sein mag (exakte Messungen sind bisher nicht gelungen).

Für die Teilchenphysik ist diese Entdeckung von historischer Bedeutung. Ihr Standardmodell der inneren Funktionsweise von Materie hatte jahrzehntelang alle experimentellen Herausforderungen bestanden. Allerdings ging es notwendigerweise von masselosen Neutrinos aus. Die neuen Beobachtungen zeigen damit, dass das bisherige Modell nicht ausreicht, um die Grundbausteine des Universums zu beschreiben.

Reaktionen der Laureaten

Die beiden Laureaten haben sich erst vor drei Wochen bei einer Konferenz getroffen, erklärte McDonald, der per Telefon zur Pressekonferenz zugeschaltet wurde. Die beiden Forschungsgruppen stünden seit Jahren in engem Kontakt: "Wir haben eine sehr gute Beziehung." Es sei schön, dass es mit der Forschungsarbeit seines Teams "gelungen ist, zum grundlegenden Verständnis der Welt beizutragen".

"Es war eine große Überraschung für mich, es ist ziemlich unglaublich", sagte Kajita gegenüber der offiziellen Plattform des Nobelpreiskomitees. Als sich der Forscher am Beginn seiner Karriere mit dem Protonenzerfall beschäftigte, führte ihn das auch zu den Neutrinos. "Ich bemerkte, dass da etwas Seltsames vor sich ging. Und das war der Beginn meiner Auseinandersetzung mit Neutrinos."

Rückblick und Vorschau

Im vergangenen Jahr hatten die aus Japan stammenden Forscher Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura den Physiknobelpreis für die Entwicklung blauer Leuchtdioden erhalten.

Am Mittwoch folgt die Bekanntgabe des Chemienobelpreises, danach geht es ab Donnerstag mit Literatur und Frieden in den nichtwissenschaftlichen Kategorien weiter. Die Auszeichnung ist wie im Vorjahr mit acht Millionen schwedischen Kronen (848.000 Euro) dotiert. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. (red, 6.10.2015)