Nacht der Narreteien: Elzemarieke de Vos und Pascal Groß.

Foto: Alexi Pelekanos

St. Pölten – Es könnte auch einfach eine Partynacht gewesen sein, in der die jungen Leute über XTC die Kontrolle über sich verloren haben. Denn der Wald, durch den sie in knappen Kleidchen und transparenten Shirts geirrt sind, hat mehr von einem Club: die Wand ein Bretterverschlag, die Couch schief (zum Ausschlafen und Vögeln) und jede Menge Glitzer. Irgendwann ist da eben alles Liebe.

Doch das Skript des Durcheinanders ist wohlkalkuliert, William Shakespeare zeichnet dafür verantwortlich. Sein Rauschmittel ist allerdings der Saft einer Blume, der, ins Auge geträufelt, "Mann und Frau verrückt vor Liebe werden lässt, aufs nächste Lebewesen, das sie sehn". Auch im eigenen Leben war der Dichter allerlei Bewusstseinserweiterndem nicht abgeneigt.

Liebes- und Verwirrspiele

So oder so, eines von beidem ist im Landestheater geschehen. Zum letzten Saisonauftakt unter Intendantin Bettina Hering, die 2017 als Schauspielchefin zu den Salzburger Festspielen wechselt (ihr folgt Marie Rötzer), zeigte man nämlich den Sommernachtstraum.

Antikes Athen und Feenreich als Schauplätze des Liebes- und Verwirrspiels finden sich dabei in allerlei Andeutungen der Ausstattung (Christian Kiehl, Nicole Zielke) wieder, ohne sich festzulegen. Ein mäanderndes Ornament am Hosenbein hier, ein elisabethanischer Kragen dort sowie ein LED-blinkender Tüllrock (Elfe Hemut Wiesinger) bekunden nebenbei mehr als nur eine Zeitgenossenschaft. Auch ortlos aktuell dadurch die Verliebten, die vor dem Ehegesetz der Alten (in Glitzerhotpants wenig respektabel: Lukas Spisser, Marion Reiser) fliehen und dabei unter den folgenschweren Zauber/Rausch geraten.

Umgeben von Livemusik (Johannes Winde arbeitet mit wundervoll dahindriftenden, von den Schauspielern dargebrachten Sounds) inszeniert Sebastian Schug Sehnsucht und Schwierigkeiten der romantischen Liebe mit ein bisschen Glamour und ein bisschen Exzess. Dabei kommen melancholisch-poetische wie auch direkte Bilder zum Tragen, Höhepunkte etwa Tobias Voigt als fetischhaft maskiertes Eselswesen mit seitensprungwürdigem Strap-on-Penis oder unschuldsweiße Unterhosen, die forsch hinuntergezogen nur Feigenblätter freilegen. Viel belacht werden Magdalena Helmig und Michael Scherff im nicht nur theaterreflexiven Metamythos um Pyramus und Thisbe.

Als Puck (Elzemarieke de Vos) am Ende hingebungsvoll "You need the drugs" anstimmt und Goldconfetti noch einmal aus vollen Händen in die Luft geworfen werden, stellt sich das wunderbare Gefühl eines kleinen Davongleitens zwischen Traum und Wirklichkeit ein. Ob Elfen oder MDMA: einerlei. Eine schöne Idee! (Michael Wurmitzer, 5.10.2015)