Jetzt lehnen sich wieder alle zurück und wacheln zur Selbstbestätigung mit dieser OECD-Studie. Die Wirtschaftsseite reagierte als Erste: Die Studie belege, dass sich die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer insgesamt verbessert habe. Krankenstände und Invaliditätspensionierungen aus psychischen Gründen seien nichts anderes als ein "Systemdefizit". Die Arbeitnehmerseite meint dagegen, die Studie zeige, dass noch immer nicht genügend gegen psychische Erkrankungen getan werde.

Beide haben recht, beide greifen zu kurz. Zwar ist die Zahl der psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz in den letzten Jahren auch deshalb gestiegen, weil das Reden über solche Krankheiten kein Tabu mehr ist. Ob auch die Qualität der Behandlung der Erkrankten mit dieser Entwicklung Schritt gehalten hat, ist fraglich. Eine Überprüfung der "Reha"-Phase, wie von der Wirtschaft gefordert, ist noch keine arbeitnehmerfeindliche Maßnahme.

Andererseits haben aber auch Arbeitgeber und/oder Personalmanager noch immer nicht gelernt, mit psychischen Erkrankungen umzugehen – beziehungsweise psychische Notsituationen gar nicht erst entstehen zu lassen. Dem Zusammenbruch eines Mitarbeiters muss auf den Grund gegangen werden. Wenn sich die konkrete Arbeitssituation nicht ändert, werden Burnout-Geplagte oder Gemobbte kaum zurückkehren können oder wollen. Und die Allgemeinheit wird weiter für die Folgen dieses Führungsdefizits zahlen. (Petra Stuiber, 2.10.2015)