Freundliche Herbstsonne, aber finstere Mienen: Angela Merkel, Wladimir Putin, Petro Poroschenko und der französische Gastgeber François Hollande (v. li) im Innenhof des Pariser Élysée-Palasts.

Der Vierergipfel aus Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine war ein Anlass voller Paradoxe. Offiziell war das vierstündige Treffen im Pariser Élysée-Palast dem politischen Prozess in der Ukraine nach dem Minsker Abkommen gewidmet. Das Hauptinteresse der Journalisten lag aber ganz woanders – nämlich in der Entwicklung in Syrien. Denn dort herrscht Krieg, dort schaffen russische Kampfflugzeuge mit ihren Einsätzen gerade neue Tatsachen – während die Waffenruhe im ostukrainischen Donbass-Gebiet an der Grenze zur Russland eher gut eingehalten wird.

Nach dem Gipfel erklärten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande in einer Pressekonferenz unisono, es gebe keinen Link zwischen den beiden Krisenherden, und damit auch nicht zwischen den diesbezüglichen internationalen Verhandlungen. Sie traten damit dem Eindruck entgegen, dass der russische Präsident Putin mit seinen Militärschlägen in Syrien Druck auf die Ukraine-Gespräche machen wollte, um eine Milderung der Sanktionen gegen die russische Wirtschaft zu erreichen.

IS bombardieren

"Wir haben über Syrien gesprochen", räumte Hollande vor den Journalisten ein, um aber klarzumachen, dass er vor allem zu Putin gesprochen habe. Er habe seinem russischen Amtskollegen erklärt, dass es darum gehe, die Stellungen der Terrormiliz IS zu bombardieren, nicht etwa die der Opposition gegen das Assad-Regime. Was Putin darauf antwortete, sagte Hollande nicht.

Was die Ukraine-Krise anbelangt, sprachen die beiden EU-Vertreter von kleinen Fortschritten. "Beide Seiten sind aufeinander zugegangen", erklärte Merkel. Insbesondere habe sich Putin verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass die geplanten Wahlen nach ukrainischem Recht stattfinden können. Was das genau heißt, ist allerdings umstritten: Wird der russische Präsident auf die Separatisten einwirken, sodass sie die für Oktober und November geplanten Lokalwahlen in Luhansk und Donezk– die klar gegen ukrainisches Recht und damit gegen das Minsker Abkommen des Staatenquartetts verstoßen – absagen? Das wird sich in den nächsten Tagen weisen müssen.

Verzögerungen erwartet

Die vier Außenminister sollen sich zu weiteren Erörterungen treffen, beschlossen Hollande, Merkel und Putin im Beisein des ukrainischen Staatschefs Petro Poroschenko. Das lässt aber auch die Lesart zu, dass die vier Staats- und Regierungschef in Wahrheit nicht weitergekommen sind.

Französische Diplomaten räumten ein, im Friedensprozess in der Ukraine werde es zu "Verzögerungen" kommen. Hollande erklärte seinerseits, der Minsk-Prozess – benannt nach einem früheren Abkommen der vier Staaten – werde bis Ende des Jahres nicht wie geplant abgeschlossen.

Für den Gastgeber ist das dürftige Resultat des Vierergipfels eine kleinere Schlappe. Vor dem ersten Minsker Abkommen war der französische Präsident nur Beifahrer gewesen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte ihn ins Boot geholt, um ihrem Schlichtungsversuch zwischen Russland und der Ukraine einen gesamteuropäischen Anstrich zu geben. Im Juni 2014 schaffte es Hollande immerhin, Kremlchef Putin und den – damals erst designierten – ukrainischen Präsidenten im Normandie-Ort Bénouville zusammenzubringen.

Vorgänger als Vorbild

Danach hegte der 60-jährige Pariser Sozialist große Pläne: Er wollte in der Ukraine eine Lösung erreichen, so wie sein Vorgänger Nicolas Sarkozy 2008 die Georgienkrise gelöst hatte – jedenfalls nach eigenem Verständnis.

Élysée-Berater erzählen gerne, dass Hollande sogar öfters über Militärplänen der Donbass-Region brüte. Anfang September, als sich die Lage in der Ostukraine beruhigt hatte, dachte er öffentlich bereits über eine "Aufhebung der Sanktionen" gegen Moskau nach.

Zu wenige Zugeständnisse

Daraus wird vorerst nichts. Putin hat nicht genug nachweisbare Zugeständnisse wie etwa den Rückzug der schweren Waffen von der ukrainisch-russischen Grenze gemacht. Mangels handfester Ergebnisse lobten französische Unterhändler das "bessere Gesprächsklima".

Alle Seiten waren offensichtlich darum bemüht, kein zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen. Letztlich würden auch Merkel und Hollande die Sanktionen nur zu gerne aufheben. In Frankreich wäre dies ein Mittel, den Druck zu mildern, unter dem Hollande vonseiten der Bauern steht. Sie haben durch den Exportstopp nach Russland fast so viele Marktanteile verloren wie ihre deutschen Berufskollegen. (Stefan Brändle, 2.10.2015)