Dressmann und Bik Bok im Citygate: Die Marken der norwegischen Varner-Gruppe, 2015 in Österreich gestartet, waren heißbegehrt.

Foto: Putschögl

Jörg Bitzer: "Linz gehört zum Einzugsgebiet von Parndorf."

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Jörg Bitzer, Experte für Einzelhandelsimmobilien bei EHL, sieht einen anhaltenden Trend unter Retailern, nur in die besten Einkaufszentren zu gehen. Einen Harrods in Wien hält er "aus heutiger Sicht für ausgeschlossen ".

STANDARD: Einkaufszentren gibt es jetzt seit circa 60 Jahren. Aber wird es sie in 20 Jahren auch noch geben? Stichwort Online-Handel.

Bitzer: Ja, da bin ich hundertprozentig davon überzeugt. Allein schon aus klimatischen und raumtechnischen Gegebenheiten. Nur im Einkaufszentrum schafft man es, alle Einzelhandelsformate zusammenzubringen, eine einheitliche Atmosphäre und ein einheitliches Klima zu schaffen und sowohl Sicherheit als auch entsprechende Gastronomie zu gewährleisten. Also wird es Shoppingcenter mit Sicherheit weiterhin geben. Im Übrigen glaube ich nicht, dass wir die derzeitigen exponentiellen Steigerungsraten im Online-Handel weiterhin sehen werden. Es gibt eine Studie einer deutschen Bank, die besagt, dass in zehn Jahren beim Online-Handel der Gipfel erreicht sein wird. Danach wird sich das einpendeln. Denn es gibt einfach viele Sachen, die man als Konsument beim Einkaufen haptisch erleben will.

STANDARD: Deshalb hat wohl auch Zalando nun vor, einen stationären Handel aufzubauen?

Bitzer: Ja, weil das schlicht erforderlich ist. Nicht zuletzt für das Brand-Building. Ohne Einzelhandel lässt sich keine Marke aufbauen. Aber die Leute wollen auch fühlen und anfassen beim Einkaufen, nicht nur Lebensmittel.

STANDARD: Shoppingcenter-Betreiber sind zuletzt aber stark unter Druck gekommen. Mieter sind oft in der stärkeren Verhandlungsposition. Wird das noch weitergehen?

Bitzer: Das aktuelle Thema lautet: Good – better – best. Es gibt in allen europäischen Märkten eine Tendenz, die Flächen immer weiter zu verbessern, weil es insgesamt kein Flächenwachstum mehr gibt. Man will also einerseits von kleineren Gemeinden raus in die größeren Retail-Agglomerationen, andererseits auch bei den Shoppingcentern in die besten und größten kommen. Bei diesen starken Centern übertrifft deshalb auch nach wie vor die Nachfrage das Angebot, da ist der Betreiber in der Lage, sich aussuchen zu können, wer reinkommt. Die Retailer stehen da auf der Warteliste. Die kleineren Center mit weniger Flächenangebot und weniger Parkplätzen haben es deutlich schwerer. Dort sind die Retailer die Stärkeren.

STANDARD: Aber sind nicht manche Retailer immer in der stärkeren Position, egal mit welchem Betreiber sie es zu tun haben? Um Primark und Dressmann herrschte zuletzt etwa ein enormes Griss ...

Bitzer: Neuankömmlinge sind immer populär. Wenn man als Betreiber "Da kommt jemand neu nach Österreich" sagen kann, dann ist das an sich eine Nachricht und zieht neue Kunden an. Das gilt für Fachmarktzentren genauso. Bei Primark wusste man, dass die Leute zuvor in Holland, Belgien und Deutschland morgens um vier Uhr Schlange standen, um da reinzukommen. Da war also der Hype entsprechend groß, das ergibt einen zusätzlichen Push-Effekt. Nichtsdestotrotz sind die finanziellen Konditionen, die so ein großer Ankermieter aufruft und die sich auch nur dieser aufgrund der Flächenkonfiguration leisten kann, nicht so, dass jeder Betreiber sagt: Ich will und kann den in mein Center reinbringen. Primark hat überall 5000 m² Fläche und mehr, den kann man nicht überall unterbringen. Und Primark entwickelt deshalb aber auch kein 1000-m²-Konzept für kleinere Einkaufszentren.

STANDARD: Im deutschen Bad Münstereifel wurde eine komplette Altstadt zum Outletcenter umgebaut. Wird's so etwas künftig öfter geben?

Bitzer: Das Problem in Innenstädten ist die sehr kleinteilige Aufgliederung der Eigentümerschaft. In Bad Münstereifel war die Situation des Einzelhandels so desaströs, dass man das Projekt realisieren konnte. Alle Besitzer waren so verzweifelt, dass sie lieber an einen Developer verkauften. Da muss noch viel Wasser die Donau hinunterfließen, dass Sie das in einer durchschnittlichen Bezirkshauptstadt in Österreich schaffen. Und Outlets brauchen ein großes Einzugsgebiet, damit es funktioniert. In Österreich macht das mit Parndorf auf der einen, Salzburg auf der anderen Seite Sinn. Für einen Markt mit achteinhalb Millionen Einwohnern ist das eine ganz gute Aufteilung.

STANDARD: Also zwischen Parndorf und Salzburg sehen Sie eher kein Potenzial für Outletcenter – zum Beispiel in Linz?

Bitzer: Ich kenne die Pläne mit dem Linzer Uno Shopping, finde die Idee spannend und gut und bin gespannt, wie's weitergehen wird. Allerdings ist dieses Center ja nicht wegen schlechter Lage oder Flächenkonfiguration, sondern wegen der Konkurrenzsituation gescheitert. Nun will man dort etwas Neues versuchen, wir werden sehen. Linz gehört aber eigentlich schon zum Einzugsgebiet von Parndorf.

STANDARD: Sie haben sich zuletzt auch über das Kaufhaus eher negativ geäußert. Davon wurden ja bereits einige zu klassischen Einkaufszentren umgebaut. Ist das deren Zukunft?

Bitzer: Ja, das können aber nur relativ wenige schaffen. Ein schönes Beispiel ist das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck oder auch der Gerngross in Wien.

STANDARD: Die großen berühmten Kaufhäuser sind heute hauptsächlich Touristenattraktionen, etwa Harrods in London oder das KaDeWe in Berlin.

Bitzer: Ja, und die werden meines Erachtens auch weiterhin funktionieren. Der andere Weg ist das Local-Hero-Prinzip, wo man einfach ein so spezifisches Waren- und Markensortiment abdeckt, dass man damit eine eigene Tradition begründet hat – wie etwa Marks & Spencer in Großbritannien. Die sind aber auch hauptsächlich am Heimmarkt erfolgreich, anderswo hatten und haben sie Probleme.

STANDARD: In Wien hat es doch auch eine große Kaufhaustradition gegeben. Warum sind Gerngross oder Steffl keine Touristenattraktion wie Harrods?

Bitzer: Gute Frage. Was man aus Gerngross gemacht hat, ist letztendlich eine wie auch immer geartete Kaufhauslösung mit Shop-Konzepten: Man hat den Zara als Textilhändler drin, eine Elektronikabteilung, die dann eben Saturn heißt, und eine Lebensmittelabteilung, die dann eben Merkur heißt. Für den Standort Wien ist dieser Markenmix sicher eine richtige Nutzung.

STANDARD: Kann Wien noch irgendwann ein berühmtes Kaufhaus bekommen, oder ist der Zug abgefahren? Über einen Harrods wird ja schon länger spekuliert ...

Bitzer: Ich höre das auch immer wieder, halte das aber aus heutiger Sicht für ausgeschlossen. Die Zahl der auch nur theoretisch denkbaren Objekte mit der nötigen Flächengröße können Sie an einer Hand abzählen. Und da sitzt Peek & Cloppenburg schon drin. Ein Retailer passt sich im Normalfall nicht mit einem Konzept an die Gegebenheiten an, sondern er sagt: Gib mir die Gegebenheiten, sonst kann ich nicht kommen. (Martin Putschögl, 3.10.2015)