Luigi Spagnolli stolperte über ein umstrittenes Bauvorhaben

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Seit Monaten sehen sich Bozens Bürger bloß mit einer Frage konfrontiert: "Bist du für oder gegen Benko?" Der Streit um ein Kaufhausprojekt des österreichischen Investors René Benko belastet schon lange die Stadt, deren Bewohner und ihre Parteien.

Nun ist auch Bürgermeister Luigi Spagnolli (55) über das umstrittene Bauvorhaben gestolpert. Gut vier Monate nach seinem Wahlsieg nahm er nach zehnjähriger Amtszeit den Hut. Vergeblich hatte er versucht, eine Stadtregierung zu bilden. Die Grünen machten als bisheriger Koalitionspartner eine Zustimmung vom endgültigen Verzicht auf das Benko-Projekt abhängig. Auch in Spagnollis Partito Democratico (PD) und in der mit ihm verbündeten Südtiroler Volkspartei (SVP) ging der Riss quer durch die Reihen.

Nötige Mehrheit verfehlt

Das Projekt der Signa-Gruppe für ein Einkaufszentrum – wie schon in Innsbruck und der Wiener Innenstadt nach einem Entwurf von David Chipperfield – war von der Stadtverwaltung positiv beurteilt worden. Doch bei der entscheidenden Abstimmung im Gemeinderat erhielt es nur 22 statt der erforderlichen 23 Stimmen.

Das Projekt diente zweifellos auch dazu, offene politische Rechnungen zu begleichen. Nach der Wahl im Mai zeigte sich Bozens Parteienlandschaft aufgesplittert: Acht Einmann-Fraktionen erschwerten die Koalitionsverhandlungen zusätzlich.

Bozens Stadtpolitik ist Spiegel eines komplizierten ethnischen Gleichgewichts. Während in Südtirol zwei Drittel der Bewohner der deutschen Sprachgruppe angehören, ist das Verhältnis in der Landeshauptstadt genau umgekehrt. Und die Stadt will sich von der mächtigen Landesregierung nicht bevormunden lassen.

Aufgeheizte Atmosphäre

Neben Landeshauptmann Arno Kompatscher sprach sich auch sein Vorgänger Luis Durnwalder für das Benko-Projekt aus: "Ich verstehe nicht, dass man einem Unternehmer, der 300 Millionen Euro investieren und Verkehrsprobleme lösen will, Schwierigkeiten macht." Dass Spagnolli vor seinem Rücktritt die Stadtverwaltung mit einer neuerlichen Prüfung des Projekts beauftragte, versetzte die Opposition in Rage: Das Gegenprojekt eines Bozner Unternehmers hatte die Gemeinde als unzulänglich abgelehnt.

In der aufgeheizten Atmosphäre scheint eine emotionsfreie Diskussion fast unmöglich. Doch Benko hat die Immobilien bereits vor Jahren gekauft. Die Stadt wird das Problem nicht los. Und der Wahlkampf wird diesmal ganze acht Monate dauern. (Gerhard Mumelter aus Bozen, 2.10.2015)