Heute präsentiert sich der Dekkan-Trapp in Indien als Landschaft von würdevoller Ruhe. Tatsächlich sind diese Stufen aus Basalt das Relikt apokalyptischer Lavaströme vor 66 Millionen Jahren.

Foto: Mark Richards, UC Berkeley

Berkeley/Wien – Wer sich ein Dinosaurierbuch aus den 1970er-Jahren oder noch älteren Datums vom Dachboden holt, wird darin ein paar originelle Vermutungen finden, warum die Dinos ausgestorben sind. Die Sümpfe seien ausgetrocknet, in denen die vermeintlich plumpen Riesenreptilien den lieben langen Tag recht reglos herumgestanden seien. Oder noch besser: Sie hätten ihre Eier achtlos am Boden liegen lassen, und die wären dann von den immer zahlreicher werdenden Säugetieren gefressen worden, welche so die "Weltherrschaft" an sich rissen.

Kosmisches Corpus Delicti

Solche unbefriedigenden Spekulationen, die längst vom Kenntnisstand über die tatsächlichen Lebensgewohnheiten der Dinosaurier überholt wurden, endeten 1980, als ein wissenschaftliches Vater-Sohn-Gespann aus Kalifornien eine bedeutende Entdeckung machte. Luis und Walter Alvarez stellten fest, dass sich vor knapp 66 Millionen Jahren Iridium, ein auf der Erde seltenes Element, weltweit in hoher Konzentration abgelagert hatte. Daraus leiteten sie die Hypothese ab, dass damals ein Asteroid mit verheerender Wucht eingeschlagen sei, der die Erde in eine Staubwolke hüllte und so eine weltweite Klimakatastrophe auslöste.

Sie wussten damals noch nicht, dass erst wenige Jahre zuvor Spuren eines 180 Kilometer großen Kraters im Norden der mexikanischen Halbinsel Yucatán entdeckt worden waren. Heute gilt der Chicxulub-Krater als Einschlagstelle des "Dino-Killers".

Ebenfalls Ende der 1970er-Jahre präsentierte jedoch der US-Geologe Dewey McLean eine ganz andere Idee, die sich in der Folge zur erbitterten Konkurrentin der Alvarez-Hypothese entwickeln sollte: Vulkanische Aktivität in gewaltigen Ausmaßen habe atmosphärische und klimatische Veränderungen ausgelöst, denen die Dinos und zahlreiche andere Tiere am Ende der Kreidezeit zum Opfer fielen. Ort des Geschehens sei der Dekkan-Trapp im Westen Indiens gewesen, wo sich heute noch über hunderttausende Quadratkilometer hinweg Terrassen aus Basalt, also aus erstarrter Lava, erstrecken.

Drei Jahrzehnte lang versuchten Anhänger der dominierenden Asteroiden- und der alternativen Vulkanhypothese einander zu widerlegen. Letztere verloren dabei allerdings laufend an Boden.

Der endgültige Schlussstrich unter der Debatte schien 2013 gezogen, als ein Team um Paul Renne vom Berkeley Geochronology Center den Chicxulub-Krater so exakt wie nie zuvor datierte. Mit einer nach geologischen Maßstäben bedeutungslosen Unschärfe von plus/minus wenigen zehntausend Jahren stimmte der Einschlag genau mit dem Zeitpunkt des Massenaussterbens überein. Ursache gefunden – der sehr viel langfristigere Dekkan-Vulkanismus könnte demnach also allenfalls die Lebensumstände vor dem Einschlag verschlechtert und die Dinos geschwächt haben, ehe ihnen der Asteroid den Todesstoß versetzte.

Vulkanische Neuverknüpfung

Renne ist aber auch der Erstautor einer aktuellen Studie im Wissenschaftsmagazin "Science", die die Rolle des Vulkanismus wieder etwas aufwerten könnte. Isotopenanalysen von Gestein aus dem Dekkan-Trapp führten Renne zum Ergebnis, dass sich die vulkanische Aktivität just im entscheidenden Zeitabschnitt signifikant änderte: Die vorherige langsame und relativ gleichmäßige Freisetzung von Lava sei unmittelbar nach dem Asteroideneinschlag von großen, unregelmäßigen Eruptionen mit viel verheerenderer Wirkung abgelöst worden.

Rennes Koautor Mark Richards will nun zusammen mit Vulkanologen untersuchen, ob und wie die von einem Einschlag ausgelösten Erschütterungen vulkanische Aktivität beeinflussen könnten. Von einem Zusammenhang sind beide Forscher jedenfalls überzeugt. Und der soll laut Renne so eng sein, dass es letztlich unmöglich zu sagen sei, auf welchen Faktor genau die tödliche Verschmutzung der Atmosphäre am Ende der Kreidezeit zurückzuführen ist.

Kurzum: Die Vulkanhypothese ist offenbar nicht totzukriegen. Aber das waren die Dinosaurier letztlich ja auch nicht. Mit den Vögeln hat eine Dino-Gruppe überlebt und sich mehr als achtbar geschlagen. Über 10.000 Vogelspezies bevölkern heute den Planeten – mit anderen Worten: Es leben noch heute doppelt so viele Dinosaurier- wie Säugetierarten, daran konnten weder Asteroiden noch Vulkane etwas ändern. (Jürgen Doppler, 2.10.2015)