"Manche nehmen die Welt auch im Urlaub nur mehr virtuell wahr", sagt Google-Manager Daniel Sieberg.

Foto: WienTourismus/Rainer Fehringer

STANDARD: Welchen Einfluss haben neue Technologien rund um Smartphone und Internet auf die Tourismusindustrie?

Sieberg: Gastgeber wie Reisende haben heute Möglichkeiten, von denen sie vor wenigen Jahren nur träumen konnten. Man kann mit Streetview, Youtube oder durch Hochladen von Panoramabildern Orte und Plätze inspizieren, bevor man dort ist. Man kann noch unterwegs erkunden, ob es ein nettes Kaffeehaus in der Nähe des Hotels gibt, in dem man einchecken möchte, das Hotel mobil buchen, den Flug dazu und vieles mehr.

STANDARD: Viele sind überfordert ...

Sieberg: ... und auch immer mehr abgelenkt. Viele verlassen sich zu sehr auf ihr Smartphone. Manche nehmen die Welt auch im Urlaub nur mehr virtuell wahr.

STANDARD: So, wie das viele Touristen früher gemacht haben – bewaffnet mit Kameras von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hetzen und hoffen, irgendwann Zeit zu finden, die Fotos anzusehen.

Sieberg: Daran hat sich wenig geändert. Als Touristen sind wir heute informierter. Früher ließ man sich mehr treiben.

STANDARD: Welche Lehren können Touristiker daraus ziehen?

Sieberg: Viele reiten auf der Internetwelle, bieten offensiv Wifi an und streichen andere technologische Finessen heraus. Es gibt aber auch Menschen, die eine Zeitlang abschalten möchten. Da sehe ich durchaus Möglichkeiten, das marketingtechnisch zu nützen. Jeder Betrieb muss aber für sich entscheiden, welcher Weg für ihn am zielführendsten ist. Ich möchte auf Nischen hinweisen, die sich auftun. Wenn man die technologischen Möglichkeiten effektiv einsetzt, kann man sich durchaus auf das Wesentliche konzentrieren und ebenso rasch wie einfach finden, was einen interessiert.

STANDARD: Noch mal zurück zum überforderten Menschen, Touristen, was immer. Die Fülle an Informationen wird vielen zunehmend zur Last.

Sieberg: Im Endeffekt geht es für den Einzelnen darum, das für ihn Wichtige, Interessante und Hilfreiche herausfiltern zu können. Viele suchen den schnellsten Weg vom Hotel zum nächstbesten Restaurant. Sind Kinder dabei, macht es Sinn, sich vorab über die angebotenen Menüs informieren zu können. Die Entscheidung, was wichtig ist, schaut von Fall zu Fall anders aus.

STANDARD: Will Google irgendwann selbst touristisch aktiv werden?

Sieberg: Nicht, dass ich wüsste. Wir sehen unsere Rolle darin, Reisende in allem, was sie unterwegs an Infos brauchen, zu unterstützen, insbesondere natürlich über das Smartphone, das faktisch jeder und jede mit sich trägt.

STANDARD: Wenn Sie acht bis zehn Jahre in die Zukunft blicken, wie verändert sich bis dahin die Welt?

Sieberg: Die virtuelle Realität wird noch mehr Teil des Alltagslebens als jetzt schon. Von Orten und Plätzen, über die wir uns vor Antritt der Reise noch zweidimensional informieren, werden wir zunehmend 3-D-Aufnahmen haben, mit einer nahezu perfekten Übereinstimmung von imaginiertem und realem Ort. Es wird Entwicklungen geben mit internetfähigen Textilien und und und. (Günther Strobl, 2.10.2015)