Die zähe Lobbyarbeit der Londoner Finanzindustrie gegen härtere Vorschriften trägt Früchte. Nachdem die Regierung bereits im Sommer dem Chef der Regulierungsbehörde FCA den Stuhl vor die Tür gestellt hatte, wird jetzt erneut über die bereits beschlossene Trennung von Investment- und Kundengeschäft diskutiert. Eine neue Kernvorschrift, die hohe Banker persönlich für illegale Praktiken ihrer Firmen verantwortlich macht, soll nur rund 15 Spitzenmanager betreffen.
Der Crash von 2008 hatte den wichtigsten Finanzplatz der Welt erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Mehrere Kommissionen erarbeiteten für Regierung und Parlament Vorschläge, wie dem Sektor Zügel angelegt werden könnten. Immer neue Skandale wie die Manipulation des Interbankenzinses Libor sowie das Geschäft mit internationalen Devisen (Forex) verstärkten den Eindruck einer Branche, deren interne Kontrollen nicht funktionierten.
Wenig geändert
So habe es ihm ein führender Kopf internationaler Bankenregulierung bestätigt, berichtet Joris Luyendijk im Guardian: Die Leiter großer Bankhäuser "wissen selbst oft gar nicht, was in ihrem Haus genau vorgeht". Luyendijks neues Buch "Swimming with Sharks" fasst mehr als 200 Interviews zusammen, die der holländische Anthropologe auf anonymer Basis mit Akteuren der City führen konnte. Fazit: "Geändert hat sich wenig."
Luyendijk und andere Kritiker der Branche setzen große Hoffnung auf eine neue Vorschrift, die im kommenden März in Kraft treten soll. Sie würde bei weiteren Bankskandalen Strafverfolgern und Genehmigungsbehörden ermöglichen, sogenannte Senior Persons persönlich zur Verantwortung zu ziehen. Die Spitzenmanager müssten nicht nur rückwirkend die Boni der vergangenen zehn Jahre zurückzahlen, sondern auch mit Strafverfolgung rechnen. Dass im Gefolge des Finanzcrashs kein führender Banker vor Gericht gestellt, geschweige denn verurteilt wurde, hatte in Großbritannien für Empörung gesorgt.
Jüngsten Berichten zufolge soll die neue Regelung aber lediglich rund 15 leitende Banker betreffen – keine große Zahl in einem Sektor, der allein in London Hunderttausende beschäftigt.
Verwässerung der Regeln
In den wöchentlichen Gesprächen zwischen der Bankenlobby BBA, den City-Behörden und der Bank of England geht es außerdem um eine Verwässerung von erst vor kurzem beschlossenen Regeln. Auf Vorschlag der Bankenkommission unter Sir John Vickers verabschiedete die konservativ-liberale Koalition 2013 ein neues Bankengesetz. Demnach müssen die Banken nicht nur dem Staat mehr bezahlen; sie müssen auch mehr Kapital vorhalten und ihre Investmentbank von anderen Geschäftsbereichen abgrenzen. "Sowohl die Bankenabgabe wie die gewünschte Abgrenzung sehen viele Banken als erhebliches Problem an", berichtet Mark Boleat, Cheflobbyist für die City of London.
Befreit von seinen liberalen Koalitionspartnern kommt der konservative Finanzminister George Osborne dem wichtigen Sektor weit entgegen. Bereits im Sommer hatte Osborne der City eine zahmere Gangart signalisiert. (Sebastian Borger aus London, 2.10.2015)