Reinhold Mitterlehner will kein "untätiger Passagier auf einem schicksalhaften Weg" sein und droht der SPÖ mal kurz zwischen zwei Landtagswahlen mit Koalitionsende. "Weitergewurschtelt" soll jedenfalls nicht werden, und tatsächlich fällt in manchen Bereichen die Regierung mehr mit Nichthandeln als mit Handeln auf. Die Wurzeln dafür liegen aber auch in der tiefen Krise der Sozialdemokraten wie der Volkspartei. Doch was bedeutet der drohende Absprung der ÖVP?

Zehn Tage vor der Wien-Wahl, die für die Stadtschwarzen schon verloren scheint, geht es dem ÖVP-Chef nicht nur um die Sachthemen, die er einmahnt (Leistung muss sich lohnen! Weniger Staat! Regelung bei Asyl!), sondern um die Positionierung für die Zeit danach. Unklar ist, ob Werner Faymann noch Kanzler und SPÖ-Chef bleibt, wenn die Wien-Wahl geschlagen ist. Die SPÖ hat tiefgehende personelle wie inhaltliche Probleme. Was, wenn Heinz-Christian Strache doch in Wien gewinnt? Und über alldem: Gibt es bei Neuwahlen für Mitterlehner die Chance, die Sozialdemokraten zu überholen und eine Koalition der kleinen Volksparteien – also Schwarz-Rot – anzuführen?

Die Gefahr besteht, im Spiel um Macht und Kanzlersessel zu erblinden. Das musste die Volkspartei auch 2008 erfahren. Die von Willi Molterer ("Es reicht!") angestrebten Neuwahlen endeten in einer Niederlage. Die Volkspartei sucht nun den Django-Effekt, der kurz wie ein Western-Kampf währte, und ist in diesen Tagen bemüht, den Freiheitlichen durch Nähe Paroli zu bieten. Doch die Auswirkungen von Neuwahlen und einer verschärften Rhetorik bei Asyl kann sie nicht abschätzen. Die Flüchtlingskrise, die auch in den nächsten Monaten andauern wird, stärkt die Chance der Freiheitlichen auf den ersten Platz im Bund. Bei einer sprachlichen und inhaltlichen Annäherung der Volkspartei an die FPÖ stellt sich die Frage, ob sie den Weg nach rechts auch wirklich durchziehen möchte. Droht man mit einer solchen Neuwahl, muss man sich auch dieser blinden Reise bewusst sein.

Die Stimmen für eine Koalition mit den Freiheitlichen sind in der Volkspartei nie ganz verstummt, nicht ausgeschlossen, dass Mitterlehners Volkspartei in eine neue Rechtsregierung gespült wird. Seine Parteifreunde werden nach fast 30 Jahren an der Regierung diese nicht verlassen wollen. Das könnte der Weg sein, der sich für Mitterlehner als allzu schicksalhaft herausstellen könnte. (Sebastian Pumberger, 1.10.2015)