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Die afghanische Armee dringt in Kunduz ein.

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Ein afghanischer Polizist neben einem ausgebrannten Auto in Kunduz.

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Die umkämpften Gebiete in Afghanistan.

Kunduz – In Afghanistan haben nach Regierungsangaben Spezialkräfte weite Teile der Stadt Kunduz von den Taliban zurückerobert. Die Islamisten seien am Donnerstag in den frühen Morgenstunden nach heftigen Kämpfen aus der strategisch wichtigen Stadt im Norden des Landes vertrieben worden, teilte der stellvertretende Gouverneur der Provinz Kunduz, Hamdullah Danishi, mit. Der stellvertretende Innenminister Ayub Salangi bestätigte diese Angaben wenig später. Bewohner von Kunduz berichteten allerdings in der Früh, in einigen Stadtteilen werde noch gekämpft.

Der Militärschlag begann nach Angaben des Verteidigungsministeriums am Mittwoch um 23 Uhr und wurde am Donnerstag um 4 Uhr beendet. Laut dem afghanischen Verteidigungsministerium hieß es, man habe mindestens 150 Taliban-Kämpfer getötet. 90 weitere seien verletzt worden. Unabhängige Informationen über Opfer unter Zivilisten lagen nicht vor. Ein Reporter der BBC berichtete allerdings, es habe mindestens 40 Tote gegeben, mehrere hundert Menschen seien verletzt worden. Er beruft sich auf Zahlen der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Weil diese nur einen Teil der Opfer behandelt, dürfte die tatsächliche Zahl darüber liegen.

Zudem gab es vorerst keine unabhängige Bestätigung dafür, dass sich die gesamte 300.000-Einwohner-Stadt wieder unter Kontrolle der Regierungstruppen befinde. Auch zur Rolle ausländischer Streitkräfte gab es zunächst keine unabhängigen Angaben. Die Nato hatte am Vortag nach eigenen Angaben Berater in das Gebiet geschickt.

Taliban-Sprecher dementiert

Ein Taliban-Sprecher dementierte die Angaben. Die Aufständischen kämpften im Stadtzentrum weiter gegen die Regierungstruppen und kontrollierten immer noch größtenteils die restlichen Bezirke von Kunduz, sagte er. Seinen Angaben zufolge war auch US-Militär an den Gefechten beteiligt. Die Gegenoffensive der afghanischen Spezialkräfte war am Mittwoch von den USA mit Luftangriffen unterstützt worden.

Mehrere Bewohner der Stadt sagten, in der Nacht habe es Bombardements gegeben. Im Zentrum der Stadt seien nun afghanische Soldaten zu sehen, auf den Straßen lägen Leichen von Taliban-Kämpfern. Bilder in sozialen Medien decken sich mit diesen Angaben. Afghanische Soldaten haben demnach die Taliban-Flagge durch die offizielle afghanische Flagge ersetzt. In manchen Teilen der Stadt werde allerdings noch gekämpft, berichteten die Bewohner.

Die Taliban hatten Anfang der Woche die Macht in Kunduz übernommen, wo lange Zeit die deutsche Bundeswehr stationiert war und für Sicherheit sorgte. Es war das erste Mal seit 2001, dass eine afghanische Provinzhauptstadt an die Islamisten fiel.

Langsam in die Stadt eingedrungen

Nach Angaben von Sicherheitsvertretern hatten die Taliban Kunduz während des muslimischen Opferfests Eid al-Adha langsam infiltriert und dann einen Überraschungsangriff von innen heraus gestartet. So hätten die Taliban Kunduz am Montag binnen weniger Stunden einnehmen können. Die Offensive der Islamisten hatte nach UN-Angaben bis zu 6.000 Zivilisten in die Flucht getrieben.

Die Taliban hatten bei ihrem Einfall hunderte Häftlinge befreit, Regierungs- und Mediengebäude in Brand gesetzt und ihre Flaggen gehisst. Sie erbeuteten Panzer und andere Fahrzeuge und erklärten die Einführung des Scharia-Rechts, wie in Videoaufnahmen zu sehen war. Die Einnahme von Kunduz war der erste derartige Erfolg der Taliban seit ihrer Entmachtung im Jahr 2001.

Von der Leyen will Termin für Bundeswehr-Abzug überdenken

Der militärische Erfolg der Taliban in Kunduz sowie in benachbarten Provinzen machte das Erstarken der islamistischen Aufständischen im Norden Afghanistans deutlich. Es verstärkte die Zweifel an der Fähigkeit der afghanischen Armee und der Polizei, selbst für Sicherheit zu sorgen. Auch das Vorhaben der USA, nächstes Jahr fast alle verbliebenen US-Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, wurde erneut in Zweifel gezogen.

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekräftigte am Mittwoch ihre Forderung, den Abzug der internationalen Truppen von der Sicherheitslage abhängig zu machen. Sie wolle dabei "nicht um wenige Wochen und Monate feilschen". Rund 13.000 ausländische Soldaten sind nach dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes in Afghanistan Ende vergangenen Jahres weiterhin im Land, um die einheimischen Streitkräfte zu beraten und auszubilden. Dazu zählen auch deutsche Bundeswehr-Soldaten. (Reuters, APA, red, 1.10.2015)