Damaskus/New York – Nach der massiven Verstärkung seiner Militärpräsenz in Syrien hat Russland am Mittwoch erstmals Luftangriffe in dem Bürgerkriegsland geflogen. Die Attacken richteten sich laut der Regierung in Moskau gegen Stellungen der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS). Unklar blieb, ob die Angriffe tatsächlich die IS-Miliz oder andere Gruppen trafen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte "Präzisionsangriffe" auf militärische Ausrüstung sowie Lager mit Waffen und Munition der IS-Miliz. Demnach wurden insgesamt 20 Angriffe auf acht Ziele, darunter "eine Kommandostellung der Terroristen" geflogen. Diese seien "vollständig zerstört" worden, erklärte das Ministerium.
"Terroristische Stellungen"
Russische und syrische Jets griffen syrischen Sicherheitskreisen zufolge "terroristische Stellungen" in den Provinzen Hama und Homs an. Die beschossenen Gebiete werden überwiegend allerdings nicht vom IS, sondern von der mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida verbundenen Al-Nusra-Front und anderen islamistischen Gruppen kontrolliert.
Putin sagte bei einer Kabinettssitzung, "alle unsere Partner" seien über die Angriffe informiert worden. Den Einsatz von Bodentruppen schloss er aus. Den Einsatz hatte zuvor das russische Parlament gebilligt.
Syrien bat um Hilfe
Nach Kreml-Angaben fiel die Entscheidung auf Bitte von Syriens Staatschef Bashar al-Assad. In Damaskus bestätigte Assads Büro, die syrische Regierung habe russische Militärunterstützung angefordert. In einem Brief Assads an Putin sei auch um Flugzeuge für den Kampf gegen den "Terrorismus" gebeten worden. Homs spielt für Assad eine strategisch wichtige Rolle, es liegt etwa auf halbem Wege zwischen der Hauptstadt Damaskus und den Küstenstädten Latakia und Tartus, wo die russische Marine stationiert ist.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sprach in New York von Hinweisen, dass nicht die IS-Miliz angegriffen werde. Khaled Khoja, Chef der wichtigsten syrischen Oppositionsgruppe Nationale Syrische Koalition (NSC), sagte der Nachrichtenagentur AFP, bei einem russischen Luftangriff in der Provinz Homs seien 36 Zivilisten getötet worden. Russlands Ziel sei nicht die IS-Bekämpfung, sondern ein Machterhalt Assads.
Auch US-Verteidigungsminister Ashton Carter erklärte in Washington, es sehe nicht danach aus, dass die Angriffe von Jihadisten gehaltene Gebiete getroffen hätten. Er warf Moskau vor, mit dem militärischen Einsatz "Öl ins Feuer" zu gießen. "Das russische Vorgehen ist zum Scheitern verurteilt", so Carter.
US-Außenminister John Kerry beschwerte sich über das russische Vorgehen persönlich bei seinem Kollegen Sergej Lawrow, wie ein ranghoher US-Beamter sagte. Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York betonte Kerry, sollten sich die Luftangriffe gegen den IS richten, "sind wir bereit, diese Bemühungen zu begrüßen". Assad dürfe aber nicht gestützt werden.
Verärgert zeigten sich die USA über die Art und Weise, wie sie über die bevorstehenden Luftangriffe informiert wurden. Nach Angaben eines US-Militärvertreters ging etwa eine Stunde vor dem ersten Angriff ein russischer General in der irakischen Hauptstadt Bagdad aus einem Geheimdienstzentrum über die Straße zur US-Botschaft und gab Bescheid.
"Moralischer Fehler"
Putin hatte am Montag mit US-Präsident Barack Obama über ein Vorgehen gegen den IS in Syrien und über die Rolle Assads im Übergangsprozess gesprochen. Der Umgang mit Assad, dessen Abtritt der Westen verlangt, blieb umstritten. Frankreichs Premierminister Manuel Valls warnte am Mittwoch in Paris vor dem "moralischen Fehler", Assad zu rehabilitieren.
Russland hatte in den vergangenen Wochen seine Militärpräsenz in Syrien massiv verstärkt. Neben Panzern, Kampfflugzeugen und Drohnen sollen auch mindestens 500 Soldaten dort stationiert worden sein. Putin forderte am Mittwoch allerdings auch von Assad "Bereitschaft zum Kompromiss" ein. Lawrow warb in New York für eine Resolution des UN-Sicherheitsrats. (APA, 30.9.2015)