Mit vielen ist bei einem Nexus-Smartphone zu rechnen – mit einer wirklich guten Kamera allerdings eher nicht. Über die Jahre erwiesen sich die Google-Smartphones in dieser Hinsicht als relativ konsistent enttäuschend. Doch nun soll alles anders werden, wenn man Google glauben darf: Bei den eben vorgestellten Nexus 5X und dem Nexus 6P habe man besonderes Augenmerk auf die Kamerafähigkeiten gelegt, betont Google. Und wie es aussieht scheinten dies Anstrengungen tatsächlich Früchte zu tragen.

Ranking

Im Kamera-Benchmark von DxOMark kommt das Nexus 6P auf 84 Punkte. Dies bedeutet den dritten Platz im aktuellen Smartphone-Ranking, nur das Galaxy S6 – und gerade frisch dazu gekommen – das Xperia Z5 erzielen noch einen besseren Wert. LGs in dieser Hinsicht viel gepriesenes G4 landet hingegen hinter dem Google-Gerät. Damit liegt das Nexus 6P auch vor dem iPhone 6 Plus, dessen vor kurzem vorgestellter Nachfolger wurde von DxOMark allerdings noch nicht getestet.

Die Kamera des Nexus 6P lässt ihre Muskeln spielen.
Foto: Google

Low-Light-Stärken

Besonders loben die Kameraexperten dabei die Low-Light-Fähigkeiten der Nexus Camera: Die Detailtreue der Aufnahmen sei in solch einem Setting nicht nur "beeindruckend" sondern sogar "mit Abstand die beste, die wir bisher getestet haben". Möglich wird dies offenbar durch den von Google verwendeten Sensor: Dabei handelt es sich um einen IMX377 von Sony, und damit um einen 12,3-Megapixel-Chip, der eigentlich aufgrund seiner Größe gar nicht für Smartphones sondern für Kompaktkameras gedacht ist. Die Pixel sind hier mit 1,55 μm deutlich größer als bei der Konkurrenz, was eine bessere Lichtausbeute zur Folge hat.

Kein OIS

All dem stehen ein Dual-LED-Flash und ein Laser-Autofokus zur Seite. Was hingegen fehlt – und umgehend für angeregte Diskussionen gesorgt hat – ist optische Bildstabilisierung (OIS). Aus der hohen Qualität des Sensors resultiere, dass Aufnahmen wesentlich schneller durchgeführt werden können, ein Ausgleich gegen Verwackeln sei also nicht mehr nötig, argumentiert Google. Zudem nutze man ein intern "Lucky Shot" genanntes Feature als Trick gegen Verwackeln: Die Kamera macht immer automatisch drei Fotos und sucht dann selbsttätig das beste aus.

Einschätzung

Trotzdem bleibt die Behauptung, dass OIS nicht mehr notwendig ist, gewagt. Immerhin hätte es in vielen Szenarien noch zusätzlich helfen können. Wahrscheinlicher erscheint da schon, dass man sich angesichts der Größe entweder für diesen spezifischen Sensor oder OIS entscheiden musste. Die Tests von DxOMark legen nun nahe, dass Google in dieser Abwägung eine durchaus vertretbare Wahl getroffen hat.

Video-Schwächen

Freilich gilt dies nur für Fotos, bei Videos sieht die Situation nämlich etwas anders aus. Hier ist OIS für stabile Aufnahmen unabdinglich. Google versucht dies bei der Nexus Camera offenbar in der Software abzufangen, allerdings nur mit begrenztem Erfolg. Entsprechend liegt die Wertung das Nexus 6P als Videokamera auch deutlich unter jener für die Fotofähigkeiten. Dies beinahe ausschließlich aufgrund eines sehr niedrigen Werts für die Stabilisierung der Aufnahmen. Von Seiten Googles heißt es mittlerweile dazu, dass man an der Verbesserung der entsprechenden Software arbeite, um hier künftig bessere Ergebnisse zu erzielen.

Beispielhaft

Unterdessen hat Google einige Beispielfotos veröffentlicht, die die eigenen Behauptungen unterstreichen sollen. Allerdings sind solche Testbilder natürlich immer mit Vorsicht zu genießen. Zwar versichert man, dass diese Aufnahmen mit automatischen Einstellungen getätigt wurden, trotzdem stehen dahinter natürlich Profifotografen. Für wirklich aussagekräftige Testfotos gilt es zu warten, bis unabhängige Tester das Nexus 6P in ihre Hände bekommen.

Nexus 5X

Der Großteil des hier erwähnten gilt übrigens auch für das kleinere Nexus 5X, da beide Smartphones exakt die selbe Kamerahardware aufweisen. Die einzigen Unterschiede sind auf der Softwareseite anzusiedeln, und entstehen laut Google durch die schwächer CPU/GPU-Kombination: So kann das 5X Slow-Motion-Videos "nur" mit 120 Bildern pro Sekunde aufnehmen, während das 6P auf 240 kommt – womit sich ziemlich ansehnliche Ergebnisse erzielen lassen. Der Smart-Burst-Modus, bei dem in schneller Abfolge zahlreiche Fotos getätigt werden, sowie die elektronische Bildstabilisierung sind ebenfalls dem 6P vorbehalten. (Andreas Proschofsky, 1.10.2015)