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Es kommen so viele Flüchtlinge nach Deutschland, dass der Platz oft eng wird. In mehreren Einrichtungen brach Gewalt aus, die Gewerkschaft der Polizei fordert eine Trennung nach Nationen und Religionen.

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Der Streit begann bei der Essensausgabe. Ein 18-jähriger Albaner soll sich nach Polizeiangaben am Wochenende in einer Notunterkunft in Kassel-Calden vorgedrängt haben, was einen 80 Jahre alten Mann aus Pakistan empörte. Zuerst flogen Worte, dann Fäuste, schließlich kam es zu einer Massenschlägerei zwischen 370 Personen. Die Bilanz: ein Dutzend verletzte Flüchtlinge, drei verletzte Polizisten.

Der Vorfall ist nicht der erste, der sich in den vergangenen Monaten in einem deutschen Flüchtlingslager abgespielt hat. Doch er hat nun eine Debatte darüber ausgelöst, wie man Gewaltausbrüche in den Unterkünften verhindern könne. Für die Gewerkschaft der Polizei ist die Sache klar. Sie verlangt eine Trennung nach Religionen und Nationen der Flüchtlinge bei der Unterbringung.

Unterstützung bekommt sie von den Grünen. "Wenn Menschen in den Unterkünften wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit oder sexuellen Identität zu Opfern werden, dann kann eine vorübergehende getrennte Unterbringung mehr Sicherheit schaffen", sagt Innenexperte Volker Beck und fügt hinzu: "Das darf aber nur eine Notlösung sein."

Bei Union und SPD kommt der Vorschlag hingegen nicht so gut an. "Eine Trennung nach Religionen oder gar Ethnien ist bei dem derzeitigen Ansturm kaum praktikabel", meint der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD). Holger Stahlknecht (CDU), Innenminister von Sachsen-Anhalt, ist ebenfalls dagegen. "Die Forderung nach Trennung ist ein völlig falsches Signal an diejenigen, die zu uns kommen." Er fordert von den Flüchtlingen "Respekt vor unserer Verfassung und unseren Werten".

Beengte Lage als Problem

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Achim Post betont, das Hauptproblem seien "nicht die Ethnie oder die Religion, sondern die Zustände und die beengten Wohnmöglichkeiten". Die Islamwissenschafterlin Lamya Kaddor schlägt vor, statt einer Trennung Streitschlichter einzusetzen.

Uneins ist sich die deutsche Politik auch in puncto Transitzonen an den Grenzen. Die Einführung solcher hat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) angekündigt. Dann könnten Asylverfahren direkt an der Grenze stattfinden, Asylsuchende ohne Aussicht auf Verbleib gleich dort abgewiesen werden – was die Zahl der Ankommenden verringern würde.

"Wir kennen das vom Flughafenverfahren. Man kann schon jetzt jemand am Flughafen festhalten und prüfen, ob sein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist und ihn zurückschicken", sagt de Maizière und betont, dass ein solches Vorgehen durch EU-Recht gedeckt wäre.

SPD gegen Grenzzaun

Doch der Koalitionspartner SPD ist skeptisch. "Was in einem umzäunten Flughafengebäude funktionieren mag, lässt sich auf 3757 Kilometern deutscher Landesgrenze nicht übertragen", erklärt Innenexperte Burkhard Lischka. Die Flüchtlinge würden sich dann andere Wege über die grüne Grenze suchen, wodurch noch mehr Menschen unregistriert einreisten. Funktionieren würde das Verfahren nur, wenn ein Grenzzaun gebaut werde. Das sei mit der SPD nicht zu machen.

In Passau ist ein 110-jähriger Flüchtling aus Afghanistan mit seiner Familie angekommen. Er war mit seinen Angehörigen acht Monate lang auf der Flucht. Seine 60-jährige Tochter erzählte, die männlichen Familienmitglieder hätten den blinden und tauben Greis auf den vielen Fußmärschen nach Deutschland getragen. Bundeskanzler Werner Faymann und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel berieten in einer Telefonkonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über die geplanten Hotspots an den EU-Außengrenzen. (Birgit Baumann, 1.10.2015)