Andreas Mailath-Pokorny, seit 15 Jahren Wiener Kulturstadtrat, gibt sich gerne lässig. Angesichts der Umfragen wird diesmal aber auch Nervosität spürbar.

Foto: Heribert Corn

Wien – Wie ernst die Lage für die SPÖ bei der Wien-Wahl in einer Woche wirklich ist, wird dann spürbar, wenn selbst ins Kulturamt gewisse Nervosität einzieht. Andreas Mailath-Pokorny, 55, ist seit 15 Jahren Wiener Kulturstadtrat, und derzeit vor allem eines: im Wahlkampfmodus. Ja, Wien habe sein Kulturangebot stark verbreitert, sei bei Tanz und Performance, den Clubs, der Popmusik oder dem Film viel weiter als vor 15 Jahren, erklärt Mailath im Gespräch mit dem STANDARD. Aber für Resümees sei eigentlich gar keine Zeit, meint er. Angesichts der Flüchtlingskrise und aktueller Umfragen sei die Stadt nämlich an einer Weggabelung angelangt. "Jetzt geht es um die Wahl zwischen Weltoffenheit oder Provinz", so die Warnung des SPÖ-Politikers.

Wien sei immer dann stark gewesen, wenn man die unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Sprachen – wie vor 100 Jahren – "aufgenommen und integriert" habe. Die aktuelle Flüchtlingskrise werde eine nachhaltigere Wirkung auf unser Verständnis von Kultur haben als es etwa die Proteste gegen Hainburg oder Zwentendorf gehabt hätten. "Wir schreiben gerade unsere Kulturgeschichte neu", sagt Mailath.

Karlsplatz als Kulturplatz

Kulturgeschichte fortschreiben wollte Mailath in seiner Ära auch mit dem Karlsplatz. "Der war bis vor einigen Jahren ausschließlich eine Verkehrs- und Drogenhöhle, an der zufällig auch Kultureinrichtungen gelegen sind". Unter dem Titel "Kunstplatz Karlsplatz" habe man versucht, diese miteinander zu vernetzen und dem Ort mit Festivals wie dem Popfest oder Buskers ein neues Image zu geben. In der Neugestaltung des Wien-Museums sieht Mailath einen "weiteren wichtigen Schritt". Bis Jahresende sollen Kosten und der Sieger des Architektenwettbewerbs feststehen.

Am Geld scheiterten bisher die dringend benötigten Sanierungen von Künstlerhaus und Secession, rechtzeitig zur Wahl tun sich aber auch hier Fenster auf. Für den geplanten Einstieg Hans Peter Haselsteiners beim Künstlerhaus könne Mailath nur "herzlichen Dank" sagen. Aus der Verantwortung stehle man sich nicht. "Wir sind ja weiterhin Hauptsubventionsgeber". Im Falle der Secession sei man "in guten Gesprächen". Aber auch dafür müsse man – wie bei der letzten Sanierung vor 20 Jahren – noch einen Privatsponsor auftreiben.

Subvention für Vereinigte Bühnen soll schrumpfen

An anderer Stelle gibt sich die Stadt spendabler. "Ich werde oft belächelt für meine Bemühungen um Gratiseintritte, aber ich stehe dazu", sagt Mailath. Kritische Stimmen von Clubbetreibern, die wegen Popfest und Co um Einnahmen fürchten, tritt er entgegen: "Viele sagen auch, dass diese Festivals mit dazu beigetragen haben, dass es so eine lebendige Clubszene gibt."

Kritik von allen politischen Seiten richtet sich seit Jahren gegen die hohe Subvention der Vereinigten Bühnen Wien. Diese soll nach einer umstrittenen Erhöhung auf 42 Millionen im Jahr 2013 bis 2017 wieder auf 40 Millionen reduziert werden. "Wir reformieren laufend", sagt Mailath, aber eigentlich richte sich die Kritik ja nur gegen das Musical. "Und ich sage, das ist eine Geschmacksfrage. Wir haben bis zu 700.000 Besucher pro Jahr." Außerdem stimme es so nicht, dass sich in anderen Städten das Musical von selbst trage: "Dort fließen auch Subventionen." Oft würden temporäre Zelte oder Hallen irgendwo am Hafen errichtet. "Das ist aber nicht das, was wir in Wien wollen."

Keine krampfhaften Lösungen

Was Mailath-Pokorny will, ist große Kultureinrichtungen vermehrt in Kooperationen mit kleineren Initiativen zu bringen, wie zwischen dem Konzerthaus und der Brunnenpassage. "Gelungen" sei auch die Rettung bedrohter Programmkinos. Dass es beim mittlerweile seit vier Jahren in Umbau befindlichen Metro-Kino zu Problemen kam, sei aber nicht seine Schuld. Die Stadt Wien sei nur Juniorpartner und "nicht zuständig für die Programmgestaltung". Eine Verschränkung von Filmmuseum und Filmarchiv zu einer österreichischen Kinemathek könne er sich durchaus vorstellen. "Mir liegt es aber fern, eine krampfhafte Lösung zu suchen, die nicht gewünscht wird."

Dialogbereitschaft signalisiert Mailath auch in Richtung freier Kulturszene. Die stieß sich unlängst an der Vergabepraxis bei den Subventionen, wo von Künstlern zuweilen verlangt wird, ihre eigenen "zu hohen" Ansuchen selbst hinunterzukorrigieren. "Das war eine Erfindung der Grünen", verteidigt sich Mailath. "Ich bin gerne bereit, so ich die Mehrheit dafür im Gemeinderat bekomme, das wieder zu ändern." (Stefan Weiss, 1.10.2015)