Der Geiger Leopold Othmar Föderl in Wien 1911.


Foto: Wiener Philharmoniker Archiv

Wien – "Ich behaupte mit ehrlichem und ruhigem Gewissen, dass Herr Professor Föderl derzeit der weitaus beste Lehrer in Wien ist." Das schrieb im September 1938 Jaroslav Suchy, Geiger bei den Wiener Philharmonikern, über einen hochgeschätzten Kollegen, der in höchste Bedrängnis gekommen war – Leopold Othmar Föderl, Jahrgang 1892, seit 1919 Mitglied des Staatsopernorchesters und der Philharmoniker, viel gefragter Pädagoge und Dirigent.

Dass seine Geschichte nun detailliert nachvollzogen werden kann, verdankt sich dem Umstand, dass seine Nichte Helen Rupertsberger-Knopp aus eigener Initiative auf das Orchesterarchiv zukam und ihm den Nachlass vermachte. Kein Geringerer als Bruno Walter attestierte Föderl 1939 seine Hochachtung als Musiker und Mensch. Solche Referenzen benötigte er dringend, da Föderl 1938 von der Staatsoper zwangspensioniert worden war, was auch das Aus der philharmonischen Mitgliedschaft bedeutete. Er war ein Wunderkind gewesen und zu einem der renommiertesten Musiker der Stadt geworden – nun stand der Gatte einer "Nicht-Arierin" vor den Karrieretrümmern.

Dass er im Gegensatz zu anderen, die ebenfalls als "jüdisch versippt" galten, keine Sondererlaubnis zur Weiterführung seiner Tätigkeit erhielt, hatte jedoch auch dezidiert politische Gründe. Seine Ehefrau Eva, geborene Knopp, berichtete: "Poldi wurde nicht meinetwegen, sondern als Gegner der Nazis entlassen." Föderl hatte sich kein Blatt vor den Mund genommen, war mit interner Kritik im Orchesterkomitee angeeckt.

Die Archivarin der Philharmoniker, Silvia Kargl, erzählt Föderls Geschichte in den aktuellen "Musikblättern" des Orchesters, die anlässlich der jüngsten Soirée veröffentlicht wurden. Zum Nachlass gehört auch seine Korrespondenz mit Ämtern sowie der Familie, die – so Kargl – eine "kritische Einschätzung zu seiner Umgebung auch aus künstlerischer Sicht" erkennen lässt.

Föderl landete zuerst in Kanada, dann in den USA, kehrte erst nach Hinhaltungen durch Staatsoperndirektor Franz Salmhofer und andere Daheimgebliebene 1953 nach Wien zurück, wo er 1956 – drei Jahre vor seinem Tod – noch zum Professor an der Musikakademie ernannt wurde. Späte Ehre für einen Unbequemen. (Daniel Ender, 30.9.2015)