Seine Frisur lässt einen an Anekdoten von einem verrückten Professor denken – und für verrückt haben ihn wohl viele ernsthafte, einem bürgerlichen Karrierebegriff zuneigende Mitglieder seiner Familie gehalten, als Bernd Marin sich in den 1960er-Jahren ausgerechnet der Sozialwissenschaft zuwandte. Andererseits war man von ihm ja einiges gewohnt: "In der Volksschule habe ich entdeckt, dass ein schlimmer Bub zu sein lustiger ist, als ein Vorzugsschüler zu sein."

Und auch schlimme Buben können Karriere machen; können Professor werden, ohne verrückt zu sein; können, wie sich nun zeigt, sogar Direktor einer Universität werden. Marin hat dafür hart gearbeitet, war nach eigener Erinnerung jahrelang der "Schammes" (wörtlich: der Synagogendiener) des Soziologieprofessors Leopold Rosenmayr, konnte sich endlich habilitieren und internationale Erfahrungen in Polen und Israel, in Argentinien und der Ukraine sammeln – mit deren Erwähnung er der heimischen Politik ordentlich auf die Nerven gehen kann.

Kaum ein anderer Wissenschafter ärgert die verantwortlichen Politiker so lustvoll mit der ständigen Mahnung, das Pensionssystem an die Erfordernisse einer gewandelten, auch einer gealterten Gesellschaft anzupassen. Der Professor ist also nicht verrückt, es reitet ihn aber manchmal der Schalk. Das hat er auch getan, als der 1948 geborene Wehrmann zum Bundesheer musste (Zivildienst gab es noch nicht, also wäre die Alternative das Gefängnis gewesen) – binnen kurzem war er nach Allentsteig strafversetzt.

Was er dort gelernt hat: als schmächtig gebauter Mann den rituellen Wirtshausraufereien auszuweichen. Gestritten wird besser auf akademischem Niveau. Und er hat eine Abneigung gegen die Wehrpflicht mitgenommen, ist bei der Volksbefragung 2013 auch dagegen aufgetreten. Erfolglos, wie man weiß. Und mit ähnlich geringem Erfolg mahnt er eine Erhöhung des Pensionsalters ein.

Über sein Privatleben weiß man wenig – "so gehört es sich", meint er, um dann zu bestätigen, dass er mit einer Psychotherapeutin, Lidia-Dinah Marin-Surkes, verheiratet ist und keine Kinder hat. Schalkhafter Nachsatz: "... von denen ich weiß". Mit 67 hätte er das von ihm längst vorgeschlagene Pensionsalter erreicht, als Direktor der Webster University fängt er aber lieber noch eine neue Karriere an. Und übt sich in Golf, "einem absolut sinnlosen Sport, der meinen Kopf auf angenehmste Weise leert". (Conrad Seidl, 29.9.2015)