Immerhin, sie haben wieder miteinander geredet, sogar länger als vorgesehen: 90 Minuten saßen Barack Obama und Wladimir Putin in New York beisammen, um über Syrien zu sprechen. Falls der verfahrenen Lage überhaupt etwas Positives abzugewinnen ist, dann vielleicht das: Der syrische Bürgerkrieg hat die beiden überhaupt erst wieder an einen Tisch gebracht. Die Bedrohung verbindet. Keiner kann auf Dauer mit einem Status quo leben, der die Terrormilizen des "Islamischen Staats" (IS) ein Machtvakuum füllen lässt und die größte Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg auslöst.

Und noch etwas, was zumindest einen Schimmer der Hoffnung aufscheinen lässt: Wenn sich die Interessen der USA und Russlands decken, sind auch die beiden Präsidenten – zwei Männer, die einander sichtlich nicht mögen – sehr wohl in der Lage, in kühler Sachlichkeit zu kooperieren. Der Iran-Deal ist so ein Fall. Wer gedacht hatte, die Duelle der Ukraine-Krise würden Putin veranlassen, Obama in der Iran-Frage Knüppel zwischen die Beine zu werfen, sah sich eines Besseren belehrt. Bei allen Animositäten: Am Ende zogen beide an einem Strang, weil das übergeordnete Interesse Vorrang hatte.

Gewiss, der Fall Syrien scheint komplizierter: Putin sieht in Assads Regime ein Bollwerk gegen den Terror, während Obama Regimewechsel predigt. Nur hat Putin seinen Widersacher gerade ein paar Meter in seine Richtung gezogen. Neuerdings spricht das Weiße Haus vom "geregelten" Machttransfer: weg von Assad, hin zu einem Übergangskabinett, dessen Konturen noch keiner zu skizzieren vermag. Neue verbale Nuancen sind da zu hören. Ohne den Abgang des Diktators kein sinnvoller Friedensdialog? Das war gestern, so sieht es Obama heute nicht mehr. Mit anderen Worten: Er hat seine Rhetorik der Realität angepasst. Nicht nur der syrischen, sondern auch der Realität des eigenen Handelns.

"Assad must go" – das klang ja zunehmend hohl, weil Obama nicht daran dachte, der Parole Taten folgen zu lassen. Die eher halbherzig verfolgte Absicht, eine moderate syrische Rebellenarmee aufzustellen, endete im kompletten Fiasko. Die Luftschläge gegen den IS, zu denen sich das Weiße Haus durchrang, als die Bilder enthaupteter Geiseln die amerikanische Öffentlichkeit schockierten, erzielen kaum echte Wirkung. Die Forderung, Bodentruppen zu entsenden, ist höchstens von einigen Hardlinern in den Reihen der Republikaner zu hören. Und dabei dürfte es auf absehbare Zeit bleiben. Die Innenpolitik diktiert, was außenpolitisch möglich ist.

Obama, der Präsident, der auch deshalb gewählt wurde, weil seine Landsleute nach dem Irak-Abenteuer George W. Bushs dem Nahen Osten mit all seinen Unwägbarkeiten den Rücken zukehren wollten, wird nicht der Präsident sein, der die "boys in uniform" erneut in die Wirren eines nahöstlichen Bürgerkriegs beordert.

Vier Jahre nach dem Abzug aus Bagdad ist ein Einmarsch in Aleppo schlicht nicht denkbar. Und die Hoffnung, dass anstelle der US-Truppen regionale Verbündete in die Bresche springen – die Türkei, Saudi-Arabien, Jordanien -, hat sich als Schimäre erwiesen. In einem Satz: So etwas wie einen Syrien-Plan gibt es nicht im Weißen Haus, sondern nur Ratlosigkeit. Was Putin mit breiter Brust tut, ist auch nichts anderes, als ein Vakuum zu füllen – nur dass es sich um ein Strategievakuum in Washington handelt. (Frank Herrmann, 29.9.2015)