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US-Präsident Obama mit dem russischen Präsidenten Putin am Rand der UN-Vollversammlung in New York. Rechts die Außenminister Lawrow und Kerry.

Foto: REUTERS/Mikhail Klimentyev/RIA Novosti/Kremlin

Man hatte sich in Europa fast an die täglichen Schreckensmeldungen vom seit Mitte 2012 andauernden Konflikt in Syrien – die Unruhen und schweren Menschenrechtsverletzungen bestehen indes wesentlich länger – gewöhnt, ja selbst an die Gräuel des IS, bis die gegenwärtige Flüchtlingskrise die Folgen des Krieges vor die eigene Haustür brachte. Einmal mehr werden daher unzählige Vorschläge zur Symptombekämpfung diskutiert. Zeitgleich steht mehr denn je die Frage im Raum, ob und wie der Konflikt sich überhaupt in absehbarer Zeit beenden ließe.

Widerstreitende Interessen

In Syrien treffen unterschiedlichste Interessenlagen und Allianzen aufeinander. So wollten etwa die USA, Saudi-Arabien und Katar schon sehr früh einen Regimewechsel sehen – bereits im August 2011 hatte US-Präsident Barack Obama davon gesprochen, dass Bashar al-Assad dem Willen des Volkes im Weg stehe und folglich zurücktreten müsse.

Hintergrund war neben dem brutalen Vorgehen gegen die eigene Zivilbevölkerung seine Nähe zu Russland und dem Iran. Schließlich befindet sich eine von zwei außerhalb der ehemaligen Sowjetunion gelegenen russischen Militärbasen in der syrischen Hafenstadt Tartus, während Assad der letzte iranische Verbündete in der Region ist. Insbesondere braucht der Iran den Flughafen von Damaskus und die Grenze zum Libanon, um die Versorgung der Hisbollah sicherzustellen. Diese beiden Staaten und die Sorge vor einem Flächenbrand begrenzen zugleich die Möglichkeiten äußeren Eingreifens, ein direktes Vorgehen wurde lange abgelehnt.

Blick nach Libyen

Dabei spielte außerdem die Sorge vor dem durch einen Sturz Assads entstehenden Machtvakuum eine Rolle. Hier reicht ein Blick auf das ursprünglich als Erfolgsmodell geltende Libyen nach Muammar al-Gaddafi, wo die schnell formierte Opposition in den Monaten nach dem Wegfall des gemeinsamen Feindes zerfiel und das heute auf Platz 25 des "Fragile State Index" liegt – 2010 hatte das Land noch Platz 111 belegt, zwei Ränge vor der Ukraine und drei hinter Zypern. Ein Bericht des UN-Generalsekretärs vom August zeichnet ein düsteres Bild der dortigen Lage: Die Kämpfe in und um Benghazi haben sich zu einem Grabenkrieg ohne Aussicht auf ein baldiges Ende entwickelt, das Gesundheitssystem steht vor dem Zusammenbruch, 1,2 Millionen Menschen haben Probleme beim Zugang zu Nahrung, 435.000 Menschen sind innerhalb Libyens auf der Flucht. Hinzu kommen geschätzte 250.000, die von Libyen aus nach Europa wollen.

Im sektiererischen Syrien-Konflikt hätte es angesichts der stark heterogenen und wenig geschlossenen Opposition wohl noch schlimmer ausgesehen. Ein derartiges Szenario durch die Entsendung von Bodentruppen mitsamt langjähriger Besetzung zum Aufbau demokratischer Strukturen zu verhindern stand nicht zuletzt aufgrund der schlechten Erfahrungen im Irak zu keinem Zeitpunkt im Raum. Auch die Aussicht auf ein von Saudi-Arabien kontrolliertes wahhabitisches Regime zwecks Schwächung des Iran erscheint wenig wünschenswert, zumal man sich im Westen vom "Arabischen Frühling" lange Zeit zumindest offiziell eine flächendeckende Demokratisierung erhofft hatte. Und einen Sieg des "Islamischen Staats", der ideologisch-religiös zwar dem saudischen Regime nahesteht, diesem aber unter anderem wegen seiner Allianz mit den USA den Krieg erklärt hat, wollen die wenigsten.

Stellvertreterkrieg

Unter diesen Bedingungen entwickelte sich ein Elemente eines Stellvertreterkriegs aufweisender Konflikt, in dem unterschiedliche fundamentalistische Gruppen durch ihnen nahestehende Staaten und sonstige Akteure – der "Islamische Staat" etwa durch wohlhabende Einzelpersonen aus der Golfregion – unterstützt werden. Die insbesondere von den USA immer wieder ins Feld geführten "moderaten" Kräfte waren – mit der hervorzuhebenden Ausnahme der Kurden in Rojava – von Anfang an rar und wenig zuverlässig. Dadurch wird der Krieg weiter am Laufen gehalten, ohne dass eine der Parteien über die für einen entscheidenden Sieg notwendige Schlagkraft verfügt. Nolens volens ist ein baldiges Ende unter diesen Umständen nicht in Sicht.

Assad als geringeres Übel?

Ob der Aufstieg des "Islamischen Staats" zu einem fundamentalen Umdenken führt und der Fortbestand des zuletzt immer schwächer werdenden Regimes Assads vom Westen zumindest vorübergehend als das kleinere Übel akzeptiert wird, muss sich nach wie vor erst weisen. In den vergangenen Monaten haben die Anstrengungen, seinen Sturz herbeizuführen, jedenfalls stark nachgelassen.

Erst jüngst erklärte Obama im Zuge seiner Rede vor der UN-Generalversammlung die vorrangige Bedeutung des Kampfs gegen den "Islamischen Staat". Dabei äußerte er die Bereitschaft, auch mit dem Iran und Russland zusammenzuarbeiten. Dennoch besteht die Gefahr, dass das verstärkte russische Eingreifen den Konflikt letztlich zusätzlich kompliziert und eine friedliche Lösung damit in noch weitere Ferne rückt. Gegen einen langfristigen Machterhalt Assads sprechen jedenfalls seine Charakterisierung als eigentliche Wurzel des Problems und die breite Ablehnung durch die Opposition. Wie der von Obama geforderte organisierte Übergang zu einem neuen Regierungschef und einer möglichst viele Parteien einbeziehenden Regierung stattfinden soll, steht freilich in den Sternen. Vielleicht sollte man daher mehr denn je laut über eine langfristige Teilung oder zumindest weitgehende Föderalisierung Syriens nachdenken. (Ralph Janik, 30.9.2015)