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Lange gejagt, jetzt wieder angesiedelt: der Europäische Nerz, der die Nähe von Teichen mag, weil es dort nahrhafte Frösche gibt.

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Wien – Einst waren sie auch hierzulande anzutreffen. Man stellte ihnen mit Fallen nach, ihrer Pelze wegen, und tötete sie. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch begannen die Populationen einzubrechen. Mustela lutreola, der Europäische Nerz, machte sich zunehmend rar. Der Negativtrend hält bis heute an. Inzwischen sind die putzigen Tiere im größten Teil ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets ausgestorben. Nur in Nordspanien, Südwestfrankreich, den Deltas von Donau und Dnjestr sowie in einigen Regionen Russlands haben sie überlebt.

Nerze lieben Wasser. Sie leben in der unmittelbaren Nähe von Flüssen und Bächen, manchmal auch an Seen, und suchen dort nach Futter. Ihr Habitat teilte sich Mustela lutreola früher meist mit dem Fischotter – ohne allzu große Konkurrenz. "Der Nerz ist eher an den Uferbereich angepasst", erklärt Franz Schwarzenberger, Wissenschafter an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die Vierbeiner suchen nach Krebsen, Fröschen, Kleinsäugern oder andere Wasserbewohnern.

Der Fischotter dagegen jagt schwimmend, im offenen Gewässer, und erbeutet hauptsächlich Fische. So können beide Marderarten koexistieren.

Mit einer anderen Tierspezies verträgt sich der Nerz allerdings gar nicht gut: mit seinem amerikanischen Verwandten, dem Mink (Neovison vison). Letzterer wurde für die Pelztierzucht nach Europa gebracht und in Russland zum Teil auch gezielt ausgewildert, als Ersatz für den schwindenden Nerzbestand. Der Beginn einer regelrechten Invasion. Immer wieder entkommen Minks aus Pelztierfarmen, oder sie werden von Tierschützern daraus befreit.

Folgen für den Artenschutz

Für den Artenschutz hat das üble Folgen. Minks sind anpassungsfähiger und aggressiver als ihre europäischen Vettern. Bei Revierkämpfen ziehen Nerze den Kürzeren, mitunter kommen sie sogar zu Tode. Die Verdrängung durch den heute weitverbreiteten Mink dürfte eine der Hauptursachen für den Kollaps der Nerzpopulationen sein. Zuvor seien die Bestände bereits durch Jagd und Lebensraumzerstörung stark geschwächt gewesen.

"Die Aussichten sind nicht sehr rosig", fasst Franz Schwarzenberger zusammen. Um den Europäischen Nerz dennoch vor dem Aussterben zu bewahren, läuft im Zoo in der estnischen Hauptstadt Tallinn ein aufwendiges Nerz-Nachzuchtprogramm. Auch Schwarzenberger und zwei seiner Wiener Kolleginnen sind daran beteiligt. Das Projekt kann zwar schon beachtliche Erfolge vorweisen, doch der Kenntnisstand über den Reproduktionszyklus weiblicher Nerze ließ noch zu wünschen übrig. Viele Fragen sind offen: Wann genau zum Beispiel sind die Tiere fruchtbar, und wie lässt sich dies zuverlässig erkennen?

Einige dieser Wissenslücken konnten nun im Rahmen einer neuen, vom Fachblatt Theriology online veröffentlichten Studie geschlossen werden. Schwarzenberger und sein Team haben den Hormonhaushalt von insgesamt 15 Nerzweibchen 16 Monate lang analysiert. Die Forscher nahmen Kotproben und maßen die darin enthaltenen Konzentrationen von Abbauprodukten der Hormone Östrogen und Progesteron. Auch die vaginale Zytologie wurde untersucht.

Die Kopulation ist bei Nerzen eine ziemlich ruppige Angelegenheit, erklärt Schwarzenberger. Um sich darauf vorzubereiten, verändert sich die Epidermis der Vagina, noch bevor die Tiere rollig werden. Dabei verhornt die Hautoberfläche. Sobald rund 70-90 Prozent der Zellen dort ihre Zellkerne verloren haben, ist die fruchtbare Phase eingetreten.

Die getesteten Nerzweibchen waren regulär Teil des Zuchtprogramms. Ihre Paarungsbereitschaft wurde anhand ihrer Vulvagröße und Vaginalzytologie ermittelt. Nerze leben solitär. Männchen und Weibchen vertragen sich nur während der Paarungszeit. Sind sie allerdings nicht in Stimmung, kommt es leicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen – was zu vermeiden ist. In Gefangenschaft aufgezogene Nerzmännchen neigen zu abnormalem Paarungsverhalten, wie Franz Schwarzenberger berichtet. "Sie sind entweder hyperaggressiv, oder sie haben überhaupt kein Interesse an Weibchen."

Verlässliche Indikatoren

Trotz solcher Schwierigkeiten gelang es, alle untersuchten weiblichen Tiere erfolgreich decken zu lassen. Die Tragzeit dauert rund 42 Tage, anschließend kommen im Durchschnitt vier bis fünf Junge zur Welt. Nerzbabys werden knapp einen Monat lang gesäugt. Der Zyklus der Mütter lässt sich gut am nun erstmals gemessenen Hormonprofil aufzeigen. Vor allem die stark erhöhten Hormonkonzentrationen drei Wochen nach der Paarung sind zuverlässige Schwangerschaftsindikatoren.

Der Eisprung wird bei Nerzweibchen durch die Kopulation ausgelöst. Obwohl sie nur einen Wurf pro Jahr großziehen, können sie vorher mehrfach fruchtbar werden. Für die Nachzucht ist das ein Vorteil. Ist eine Nerzdame beim ersten Rendezvous nicht trächtig geworden, so hat sie später immer noch Chancen.

Seit 2000 setzen die Experten des Tallinner Zoos ihre nachgezüchteten Nerze für die Neugründung einer Population auf der estnischen Ostseeinsel Hiiumaa ein. Das 989 Quadratkilometer große Eiland ist zu gut zwei Dritteln waldbedeckt. Vorher musste der dort lebende Minkbestand eliminiert werden. Und es gab noch ein weiteres Hindernis: Zu Sowjetzeiten wurden großflächige Drainagemaßnahmen durchgeführt, um die Landschaft zugunsten von Forst und Agrarwirtschaft trockenzulegen. Tümpel und kleine Seen verschwanden. Den Nerzen hatte es an Fröschen gemangelt.

Zwecks Ausgleich ließen die Biologen im Umfeld von Wasserläufen 23 Teiche graben. Der Trick gelang. Die Frösche nahmen die künstlichen Laichgewässer umgehend an, ihre Bestände stiegen. Auch andere Tierarten wie zwei gefährdete Libellenspezies und die Wasserspinne Argyroneta aquatica profitierten (vgl.: Oryx, Bd. 49, S. 559). Inzwischen plädieren die Experten für das Blockieren der Drainagegräben. So sollen Teile der Insel wieder vernässt und größere Feuchtbiotope wiederhergestellt werden.

Der Europäische Nerz scheint sich auf Hiiumaa wohlzufühlen. Nach 15 Jahren gibt es endlich Hinweise auf die Etablierung einer stabilen, sich selbst erhaltenden Nerzpopulation. "Da braucht man eben Geduld", sagt Franz Schwarzenberger. In Österreich seien derartige Projekte vorerst nicht geplant. Zwar gäbe es hierzulande bestens geeignete Lebensräume, vor allem im Nationalpark Donau-Auen, aber diese seien leider "nicht minkfrei". (Kurt de Swaaf, 30.9.2015)