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Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) muss auf verkraftbare Verluste hoffen.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Wien – Die letzten Interviews mit Michael Häupl (SPÖ), in denen Wiens Bürgermeister als rotes Wahlziel die Wiedererlangung der absoluten Mandatsmehrheit ausgegeben hat, sind noch keine Woche alt. Ein absolut unrealistisches Szenario, an dem Häupl seit Monaten wider besseres Wissen hartnäckig festhält. Häupls Vorgabe wurde noch am sonntägigen Wahlabend von eigenen hochrangigen Parteigenossen ad absurdum geführt, die in Wien plötzlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Heinz-Christian Straches FPÖ für möglich halten.

Als fix gilt, dass die FPÖ mit dem Wahlerfolg in Oberösterreich im Rücken auch am 11. Oktober in Wien respektabel zulegen wird. Die Freiheitlichen starten bei 25,8 Prozent von der Wahl 2010, die SPÖ hält bei 44,3 Prozent. Für ein richtiges rot-blaues Duell müssten die Sozialdemokraten massiv verlieren und die Freiheitlichen auf schon relativ hohem Niveau ebenso dramatisch zulegen.

"Richtungsentscheidung" für Wien

Dass SPÖ-Vertreter dennoch das Worst-Case-Szenario in ihre Überlegungen miteinbeziehen und – wie SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid – von einer "Richtungsentscheidung" für Wien sprechen, hat laut Beobachtern hauptsächlich taktische Gründe. Denn die Zuspitzung nützt Rot und Blau, während die anderen Parteien zu Statisten degradiert und aufgerieben werden könnten. "ÖVP, Grüne und Neos haben ein echtes Problem", sagt Politikberater Thomas Hofer dem STANDARD. "Aus Sicht der SPÖ kann nichts Besseres passieren. Und die FPÖ lebt aktuell von ihrem Siegerimage."

Dass die Sozialdemokraten auch in Wien Federn lassen müssen, davon sei auszugehen. In diesem emotional aufgeladenen Wahlkampf sei die Mobilisierung von Wählern, die sich noch nicht entschieden haben, für Rot und Blau aber einfacher. Hofer: "Je realistischer ein erster Platz für Strache in Umfragen im Vorfeld erscheint, desto mehr könnte auch die SPÖ davon profitieren."

Häupl "Antithese zu Niessl und Pühringer"

Die derart groß im Fokus stehende Asylthematik dürfte der FPÖ nach Oberösterreich auch in Wien in die Hände spielen. Wobei sich in der Bundeshauptstadt Häupl "geschickt positioniert hat", wie Hofer sagt. Ein erstes Zeichen sei die Öffnung des Asylquartiers in Erdberg schon vor einem Jahr gewesen, als die Flüchtlingsbewegungen noch nicht so akut waren. Auch die deutlichen ablehnenden Worte zur rot-blauen Koalition im Burgenland unter Landeshauptmann Hans Niessl hätten Häupls Position gestärkt. "Häupl ist die Antithese zu Niessl und Pühringer."

Häupl selbst sieht jedenfalls keinen Grund, seine Wahlkampfstrategie zu ändern. "Wer zwei Wochen vor einer Wahl nicht thementreu und strategietreu ist, hat schon verloren." Aber es gebe noch einiges an Arbeit zu tun, "vor allem, was die Mobilisierung von sozialdemokratischen Nichtwählern betrifft".

Mauer gegen FPÖ

Häupl ist die personifizierte Mauer der Wiener SPÖ gegen die FPÖ – auch wenn es in den großen Flächenbezirken durchaus rote Funktionäre gibt, die sich hinter vorgehaltener Hand eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen zumindest vorstellen können. Öffentlich ist dieses Liebäugeln aber noch von keinem Genossen vertreten worden. Für diese "Disziplin der Funktionäre" sei Häupl verantwortlich, sagt Hofer.

Am Montag bekräftigte Häupl, dass für ihn auch nach einer Wahlniederlage ein sofortiger Rückzug nicht infrage kommt. "Ich übernehme die Verantwortung für jedes Wahlergebnis."

Rot-grüne Koalition gefährdet

Bei großen SPÖ-Verlusten könnte aber eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition gefährdet sein: Denn aktuelle Umfragedaten gehen davon aus, dass die Grünen angesichts des rot-blauen Duells mehr oder weniger stagnieren. Für die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou ist das auch eine politische Überlebensfrage: Sie hat angekündigt, bei einem grünen Minus zu gehen. Bleibt für Häupl die Alternative ÖVP. Dieser Variante werden aktuell aber keine großen Chancen eingeräumt: Umfragen sehen die ÖVP in Richtung Einstelligkeit purzeln.

Das würde das Standing der Neos als "Königsmacher" in einer Dreierkoalition ohne Strache erhöhen. Allerdings dürfte das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Gemeinderat noch keine g'mahte Wiesn sein. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger geht fix davon aus. "Wir bleiben bei unserer Botschaft: Wir sind die Einzigen, die Strache aufhalten können." (David Krutzler, 29.9.2015)