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Ein autofreier Sonntag in Paris. Nicht alle hielten sich daran, einige leisteten hupend Widerstand. Auf den Champs-Elysées dominierten Fußgänger und Radler.

Foto: Reuters/Wojazer

Gut zwei Monate vor dem Beginn der großen Klimakonferenz von Paris, der "Cop 21", wollte die Lichterstadt mit dem guten Beispiel vorausgehen. Um die Schadstoffemissionen zu senken, deklarierte Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Namen der rot-grünen Stadtkoalition einen autofreien Tag. Ganz Paris war am Sonntag von den Verbrennungsmotoren befreit. Ganz Paris? Einige Autofahrer leisteten hupend Widerstand.

An sich war schon von Beginn weg klar gewesen, dass das noble Projekt eine beschränkte Wirkung haben würde. Es betraf nur etwa ein Viertel des ganzen Stadtgebietes: Zwischen den beiden Stadtparks, dem Bois de Boulogne im Westen und dem Bois de Vincennes im Osten, galt nur das Stadtzentrum mit Vierteln wie Saint-Germain des Prés, Marais oder Louvre als autofrei. Dazu kamen kleinere Zonen um den Eiffelturm, den Montmartre-Hügel und die Champs-Elysées. Der autofreie Tag beschränkte sich zudem auf die Zeit von 11 bis 18 Uhr.

Champs-Elysée voller Fußgänger und Radler

Auf den Champs-Elysées war die Aktion ein voller Erfolg. Ab 11 Uhr strömten Massen von Fußgängern und Radlern auf die Prachtstrasse zwischen Triumphbogen und Tuilerien-Park. Touristen und Einheimische machten sich ein Vergnügen daraus, auf dem eigenen oder gemieteten Velo über das Kopfsteinpflaster zu rattern und die – weiterhin funktionierenden – Rotlichter zu überfahren; viele rollten auf Skateboards oder Trottinets, und dazwischen flnaierten Familien, Einzelpersonen und Paare in der milden Herbstsonne über die "schönste Avenue der Welt", wie sie die Pariser ebenso stolz wie selbstverständlich nennen. Wer hinter einem der dreirädrigen Velotaxis mit Sitzdach herging, wähnte sich fast im 19. Jahrhundert oder einem Balzac-Roman, der das Bürgertum beim Sonntagsspaziergang mit Kutsche und Sonnenschirme beschrieb.

Weniger idyllisch war es an der Rue de Rivoli entlang des Louvre-Museums. Hier herrschte an sich auch die Devise "autofrei". Doch längst nicht alle Pariser Autobeistzer hielten sich daran. Die Ausnahmen vom Fahrverbot – Taxis, Polizeistreifen, Ambulanzen, Hotelbusse, Touristencars und Fahrzeuge mit anderen Spezialbewilligungen – waren zudem so zahlreich, dass die Fahrradlenker vorsichtig an den Straßenrand ausweichen mussten. Wenn sie es nicht taten, riskierten sie zwar vielleicht ihr Leben, aber zumindest ein kleineres Hupkonzert. Verkehrspolizisten waren nicht in Sicht, um diesen Autolenkern den tieferen Sinn des Wortes "autofrei" beizubringen. Nur junge Freiwillige des Vereins "Paris sans voiture" (Paris ohne Autos), der die Stadtregierung von der Durchführung des autofreien Tags überzeugt hatte, versuchten an einigen Kreuzungen, den Fußgängern und Velofahrern zum Vortritt zu verhelfen.

Überzeugungsarbeit notwendig

Der autofreie Tag zeigte nicht zuletzt, dass in Paris bei der Eindämmung des Autoverkehrs noch viel – auch an Überzeugungsarbeit – zu tun bleibt. Das Bürgerkollektiv "Paris ohne Autos" teilte jedenfalls mit, es sei zu hoffen, dass der autofreie Tag nach der Klimakonferenz nicht gleich wieder in Vergessenheit gerate, sondern nun regelmäßig und in ganz Paris veranstaltet werden. (Stefan Brändle aus Paris, 28.9.2015)