Bild nicht mehr verfügbar.

VW-Probleme unter der Motorhaube.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Wolfsburg – Verantwortliche bei Volkswagen haben offenbar schon vor mehreren Jahren Kenntnis vom Einsatz rechtswidriger Software in Dieselautos des Konzerns gehabt. Das legt ein Bericht der internen Revision bei Volkswagen nahe, über den mehrere deutsche Zeitungen am Sonntag berichteten. berichtet die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

So habe schon 2011 ein Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass die Software einen Rechtsverstoß darstellen könnte, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" unter Verweis auf den Prüfbericht.

Dieser Bericht sei dem Aufsichtsrat bei seiner Sitzung am Freitag, die mit der Absetzung von VW-Chef Martin Winterkorn endete, vorgelegt worden. Er gebe aber keine befriedigenden Antworten, warum die Warnung vor dem illegalen Tun in den Hierarchien versandet sei. Sollte Managern nachgewiesen werden, dass sie in den Skandal direkt verwickelt sind, müssten sie mit strafrechtlichen Konsequenzen und Schadenersatzforderungen rechnen.

Ein Volkswagen-Sprecher wollte den Bericht am Sonntag nicht kommentieren. "Wir ermitteln auf Hochtouren und werden die Ergebnisse, sobald wir sie haben, bekanntgeben", sagte VW-Sprecher Peter Thul.

Auch Zulieferer Bosch warnte schon vor Jahren

Die "Bild am Sonntag" berichtete, bei den Untersuchungen in der Abgas-Affäre sei die interne Revision des Fahrzeugherstellers auch auf ein brisantes Dokument gestoßen. Der Zulieferer Bosch habe schon 2007 in einem Schreiben an den VW-Konzern vor einer illegalen Verwendung seiner Technik zur Abgasnachbehandlung gewarnt. Bosch habe die Software an VW geliefert, die allerdings nur für Testzwecke und nicht für den normalen Fahrbetrieb vorgesehen gewesen sei. Der Zeitung zufolge teilte der Zulieferer damals den Wolfsburgern mit, dass der geplante Einsatz gesetzeswidrig sei.

Bosch äußerte sich am Sonntag nicht dazu. "Wir sind gegenüber VW zu Vertraulichkeit verpflichtet", sagte ein Bosch-Sprecher in Stuttgart.

Das Kraftfahrtbundesamt hat Volkswagen unterdessen aufgefordert, bis zum 7. Oktober einen verbindlichen Maßnahmen- und Zeitplan vorzulegen, bis wann die Fahrzeuge auch ohne Manipulationssoftware die verbindliche Abgas-Verordnung einhalten können. Ein entsprechender Bericht der "Bild am Sonntag" wurde aus dem Verkehrsministerium in Berlin bestätigt.

Der VW-Sprecher sagte dazu: "Wir arbeiten an einer Lösung, die wir mit den Behörden abstimmen werden." Wichtig sei für das Unternehmen, schnellstmöglich seine Kunden zu informieren. Ob dies direkt oder über die Händler geschehen werde, werde derzeit abgestimmt. Bereits am Samstag hatte Volkswagen angekündigt, die betroffenen Fahrzeuge würden auf Kosten des Konzerns nachgebessert. Das Vorgehen werde für die einzelnen Märkte mit den jeweiligen Behörden abgestimmt. "Das kann eine Rückrufaktion sein, aber auch eine Serviceaktion."

Verkehrsminister wirft Regierung Untätigkeit vor

Auch politisch gingen in Deutschland in der VW-Affäre am Sonntag die Wogen hoch. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat der deutschen Bundesregierung Untätigkeit in der Vergangenheit vorgeworfen. "Die Bundesregierung hätte Hinweisen auf Manipulationen bei der Motorsteuerung längst nachgehen und genauer hinschauen müssen. Stattdessen wurden solche Hinweise als böswillige Unterstellungen abgetan", so Hermann Sonntag zur "Welt" (Online).

Sein Bundesland habe sich frühzeitig gefragt, "warum im Ballungsraum Stuttgart die Belastung mit Feinstaub und Stickoxiden jenseits aller Grenzwerte liegt, obwohl die Autos doch angeblich immer besser werden."

Spätestens im Sommer hätte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) handeln müssen. Damals hätten die Grünen im Bundestag die Regierung auf die Möglichkeit zur Motorsteuerung bei Abgastests hingewiesen. Stattdessen habe sich Dobrindt darauf verlassen, "dass in den ohnehin miserablen Tests nicht auch noch betrogen wird". Baden-Württemberg wolle gemeinsam mit Prüfinstituten nun Abgas-Tests im Land verbessern.

Internationale Reaktionen

Ebenso sorgten die Manipulationsvorwürfe international für zahlreiche Reaktionen. Die italienische Regierung will im Zuge des Abgas-Skandals bei Volkswagen landesweit 1.000 Fahrzeuge des Konzerns stichprobenartig untersuchen lassen. "Jeder Test kostet rund 8.000 Euro, aber das ist es uns wert. Wir werden die Ergebnisse in zwei bis drei Monaten haben", sagte Verkehrsminister Graziano Delrio der Turiner Tageszeitung "La Stampa" (Sonntag).

Man werde nicht warten, bis man die von VW und dem deutschen Kraftfahrtbundesamt erbetenen Daten erhalten habe.

Das Schweizer Bundesamtes für Straßen (Astra) hatte am Freitag sogar ein vorübergehendes Zulassungsverbot für Fahrzeuge mit dem betroffenen Motor angekündigt. Es soll diesen Montag in Kraft treten. Allerdings ist laut Importeursverband unklar, wie viele Autos mit der älteren Abgasnorm Euro 5 überhaupt noch im Handel sind. Bereits zugelassene Fahrzeuge sind nicht betroffen.

In Belgien hat der VW-Importeur D'Ieteren 3.200 Diesel mit dem fraglichen Motor EA 189 vorsorglich vom Markt genommen. Der Verkauf sei gestoppt, bis es von Volkswagen weitere Informationen gebe, hieß es am Samstag. Dann könnten auch die Besitzer informiert werden, die ein Auto mit der betrügerischen Software fahren. Das belgische Wirtschaftsministerium schätzt, dass dies im Land etwa 500 000 Autos betrifft.

Deutsche vertrauen ihren Autobauern noch

Ungeachtet der Abgas-Affäre vertraut zumindest laut einer Umfrage des Instituts Emnid für "Bild am Sonntag" eine Mehrheit der Deutschen weiter den technischen Angaben der Autobauer. 44 Prozent der Befragten hätten "großes Vertrauen", elf Prozent sogar "sehr großes Vertrauen", berichtete die Zeitung. 29 Prozent hätten hingegen ein "eher geringes" und 9 Prozent gar kein Vertrauen.

Drei Viertel der Bundesbürger waren der Umfrage (n=504) zufolge der Ansicht, dass auch andere deutsche Autobauer bei technischen Angaben manipulierten, 17 Prozent glaubten das nicht. Bei ausländischen Marken vermuteten 82 Prozent Manipulationen und lediglich 13 Prozent nicht. 77 Prozent sind zudem der Meinung, dass Herstellerangaben von staatlicher Seite besser kontrolliert werden sollten. (APA, dpa, 27.9.2015)