Bild nicht mehr verfügbar.

Mit Rot und Blau ist im Burgenland zusammengewachsen, was zusammengehört.

Foto: APA/Jäger

Seit fast drei Monaten wird das Burgenland von einer rot-blauen Konstellation regiert, und im Wesentlichen ist es das Burgenland geblieben. Und das in einer historischen Phase – seit Anfang September haben mehr als 150.000 Menschen, Fremde!, die Grenze überquert – , in der es wohl nicht schwer gewesen wäre, jenes fremdenfeindliche Öl ins Feuer zu gießen, von dem die FPÖ sich durchaus zu nähren pflegt: "Daham statt Islam" usw.

So was sei – erklärte die pannonische SPÖ ein ums andere Mal – vielleicht das Substrat einer "Strache-FPÖ". Die burgenländischen Blauen seien da anders. Das mag durchaus so sein, nachdem in den vergangenen Jahren die ideologisch gepolten – um nicht zu sagen: eingenordeten – Flügel gestutzt wurden. Die Stutzer hatten und haben lang andauernde Affinitäten zur Sozialdemokratie.

Johann Tschürtz, der Parteiobmann und nunmehrige Landeshauptmannstellvertreter, tat sich im heimatlichen Loipersbach einst in der Jungen Generation um. Sein Klubobmann, Gerhard Kovastits, war einst roter Gemeindevorstand in Bruckneudorf. Kein Wunder also, dass Hans Niessl sich mit diesen Blauen weitaus leichter redet als in der zähen Proportionalität mit den Schwarzen.

Eine Straffung roten Tatendrangs, die nicht unterschätzt werden darf als Basis des umstrittenen Zusammengehens. Niessl lobt denn auch im Überschwang seine vierte Amtszeit als "jene, die mit dem meisten Schwung, der intensivsten Arbeit gestartet ist".

Mann ohne Eigenschaften

Im Sommer hat Tschürtz zuweilen den Wilden Mann hervorkehren wollen. Zweimal unterlief ihm der Fehler, dem Polizeidirektor Hans Peter Doskozil grenznahe Kontrollen anschaffen zu wollen. Zweimal musste der Sicherheitsreferent jene unumstößliche Wahrheit am eigenen Leib erfahren, mit der Robert Musil das Kapitel vier seines Mann ohne Eigenschaften beginnt: "Wenn man gut durch geöffnete Türen kommen will, muss man die Tatsache achten, dass sie einen festen Rahmen haben."

Die Eisenstädter Tür war eh sperrangelweit offen. Dass Wiens Michael Häupl und Österreichs Werner Faymann über Niessls "Tabubruch" so sehr not amused waren, zeigt, was sie vorher schon von ihm gehalten haben; so viel, dass sie ihm den Ernst der Absicht einfach nicht geglaubt haben. Und zeigt aber auch, wie geschichtsvergessen man in der Sozialdemokratie zuweilen dahinlebt.

Nicht nur, dass Niessl sein Techtelmechtel mit der FPÖ keineswegs heimlich gemacht hat, stellt er sich damit durchaus in eine pannonische Tradition, die zurückreicht bis tief in die 1960er-Jahre, als das Burgenland – als einziges Bundesland übrigens dauerhaft – umgefärbt wurde. 1964 stellte die SPÖ erstmals den Landeshauptmann, weil der FPÖ-Abgeordnete Richard Rezar für Hans Bögl stimmte.

Rezars Sohn Peter, einst Chef der Landesgruppe des Rings Freiheitlicher Jugend, konvertierte gleich, wurde 1988 SP-Ortsparteivorsitzender in Oberpullendorf und machte seit 1999 den Soziallandesrat, bis er heuer zugunsten von Norbert Darabos zurückgeschickt wurde ins mittlere Burgenland. Rezar jr. hatte im Vorwahlkampf auch jenes Thema angezunden, das nun ganz oben steht auf der rot-blauen To-do-Liste. Flapsig ließe sich das so ausdrücken: Unsere Arbeit für unsere Leut'. Noch nie haben im Burgenland mehr Menschen gearbeitet als heute, gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit rapid. Vom Arbeitsplätzezuwachs, der sich zu einem guten Teil auch burgenländischem Fördergeld verdankt, würden hauptsächlich die Grenzpendler aus Ungarn profitieren.

"Mehr Jobs für Burgenländer, das ist Grundkonsens", sagt Hans Niessl. Ein diesbezüglicher Gipfel mit AMS und Sozialpartnern hat bereits getagt. Ein "Pakt für Beschäftigung" wurde unterzeichnet. Und Johann Tschürtz versicherte, dass das alles "im Rahmen europäischer Regelungen" passiere. Immer wieder betont Tschürtz solche Nonas, als wollte er nicht nur dem Partner, sondern auch sich selber versichern, dass er nun auf einem Regierungssessel sitzt. "Da kann ich nicht alles in der Schärfe sagen, wie ich das früher getan hätte", erklärte er unlängst dem Standard, "aber mein Meinungsinhalt bleibt der gleiche."

Der da wäre: Grenzkontrollen (womöglich solche, die er im Rahmen seiner Zuständigkeit für Verkehrssicherheit "anordnen" könnte, anstatt mit einer schlichten Bitte die eh offene Tür einzurennen) und die Verlängerung des wieder aufgenommenen Grenzeinsatzes des Bundesheeres. Dafür verzichtet er sogar darauf, Wiens wahlkämpfendem Heinz-Christian Strache beizuspringen in seiner Forderungen nach einem "Zaun". Tschürtz ist eher für einen durch Soldaten gebildeten "lebenden Zaun". Und dieser Wunsch unterscheidet sich in nichts von dem des Hans Niessl.

Der hat sich immer noch mit ein paar Linksgespenstern auseinanderzusetzen. Einige – Erika Stix, Witwe von Niessl-Vorgänger, Gerhard Steier, geschasster Landtagspräsident – sind spektakulär ausgetreten. Peinigender sind wohl die Ausharrenden wie der Neudörfler Bürgermeister Dieter Posch. Die eröffnen ein linksgewuchtetes Flügelspiel, das einer eng und enger gewordenen "Niessl-SPÖ" so unangenehm ist, wie es die "innere Emigration" spätestens beim nächsten Beitragsinkasso sein könnte. Sagt man, hört man.

(Wolfgang Weisgram, 26.9.2015)