In einer stummen Rolle stellt Ilia Hollweg das"Wunderkind Amadé" dar. Daneben der porentief nette Mozart (Odeo Kuipers).

Foto: Deen van Meer

Wien – Vergegenwärtigt man sich die Programmierung der Vereinigten Bühnen Wien, überkommen einen augenblicklich Zustände bleierner Müdigkeit, der Lähmung und Atemnot. Wer ein belebendes Musicalprogramm genießen möchte, muss nach Linz railjetten.

In Wien werden die Besuchermassen vom Platzhirsch der Branche mit keimfreier US-Ware vergrault (Natürlich blond), wenn Christian Struppeck sein kärgliches Intendantensalär nicht gerade mit einer Produktion auffettet, die Tantiemen in seine Autorentaschen spült (Der Besuch der alten Dame).

Bis zum Gehtgarnichtmehr werden bei den VBW auch alte Erfolgsproduktionen reanimiert: Wurde 2012 die selige Elisabeth (Buch: Michael Kunze, Musik: Sylvester Levay) zum dritten Mal zu szenischem Leben erweckt, so darf nun ein zweites Werk des Dreamteams im Raimundtheater wieder so richtig flashen: Mozart! Das Musical.

Wie bei dessen Uraufführung 1999 führte auch bei der Wiederaufnahme der mittlerweile 80-jährige Harry Kupfer Regie. Verglichen mit seiner tollen Elisabeth ist der Mozart! aber eine fade Sache geworden: Es wird fast nur mit großflächigen Projektionen gearbeitet, die auch noch historisch derart falsch sind, dass es einem die Zehennägel aufrollt (Bühne: Hans Schavernoch). Die Kostüme (Yan Tax) sind beeindruckend hässlich. Es wird seltsamerweise fast nicht getanzt, und wenn, dann eher schlampig und zu derart ärmlichen Choreografien (Dennis Callahan), dass man beschämt den Blick zu Boden senkt.

Die gut 50 Nummern von Levay rollen unbarmherzig im Dreiminutentakt an. Man fühlt sich wie eine Gans, die gestopft wird: Man wäre längst voll, es hört aber einfach nicht auf. Levay verklebt die Stadt nun schon seit einem Vierteljahrhundert mit seinen vorherhörbaren Harmoniefolgen… Wann ist es endlich vollbracht, o Herr Kulturstadtrat?

Das Orchester der VBW unter der Leitung von Koen Schoots klingt bei den "rockigen" Nummern gut, bei den Balladen kriecht ein anämischer, plastifizierter Synthesizersound aus dem Orchestergraben, der einen augenblicklich um Jahre altern lässt.

Gesungen wird durch die Bank fantastisch. Oedo Kuipers ist ein Schlaks mit wippender Boybandbübchenfrisur, der in seinem luftigen, weißen Outfit eine porentief reine Nettigkeit ausstrahlt: ganz der Mozart! Franziska Schuster ist eine burschikose Constanze; die volle Härte: Brigitte Oelke als Webersche Clanchefin Cäcilia. Thomas Borchert stellt Leopold Mozart als fürsorgliches Sensibelchen dar und beeindruckt im Forte mit Udo-Jürgens-Gedächtnis-Timbre. Ganz braunberocktes Herdheimchen: Barbara Obermeier als Nannerl.

Mark Seibert demonstriert, dass Fürsterzbischof Colloredo nicht nur ein megadominanter Machtmensch gewesen ist, sondern auch – damals schon! – täglich ins Fitnessstudio gepilgert ist. Ana Milva Gomes wirkt als Baronin von Waldstätten etwas zu statuenhaft, trotzdem darf sie das Ohrwürmchen des Abend singen: Gold von den Sternen. Und Johannes Glück bringt den Schikaneder sonnig, locker und wienerisch rüber. Irgendwann ist es dann zum Glück doch noch aus. (Stefan Ender, 25.9.2015)