Wien – Nachbarschaftsbesuch in angespannter Situation: Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat am Freitag der Regierungsspitze Österreichs einen Besuch abgestattet. Auf dem Plan standen Begegnungen mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

Vor allem zwischen Faymann und Orbán ist die Stimmung ausbaufähig. Grund dafür: Faymann hatte in einem "Spiegel"-Interview gesagt, Orbán betreibe "bewusst eine Politik der Abschreckung. Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woanders hinfahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents."

Die Ungarn reagierten empört. Man nehme Faymanns Aussagen nicht ernst. Unter anderem warf Orbán Faymann in mehreren europäischen Zeitungen "einfach schlechtes Benehmen" vor. Auf eine Entschuldigung wartete er nicht, denn, so Orbán: "Das war nie die stärkste Seite der Österreicher. Es ist anders, auf einen Österreicher als auf einen Franzosen zu reagieren. Die Franzosen sind auch noch raffiniert, wenn sie jemanden beleidigen. Österreicher sind manchmal ungehobelt. Die österreichischen Einlassungen sind oft eher destruktiv."

Vizekanzler Mitterlehner gegenüber hatte Orbán wiederum in dieser Woche bekundet, dass er gern der "Beschützer" Österreichs sei, indem er seine Grenzen kontrolliere.

Verhältnis "korrekt, gut und sachlich"

Ob es hinter den Kulissen raffiniert, beleidigend, ungehobelt oder destruktiv zuging, wurde nach außen nicht kommuniziert. Es war danach die Rede von "korrektem" Verhältnis (Faymann) und einem Verhältnis, das als "gut und sachlich" (Mitterlehner) beschrieben wurde.

Orbán sagte bei einer Pressekonferenz in der ungarischen Botschaft in Wien, dass es in Österreich zwar keine "Unterstützung aus vollem Herzen" für den geplanten Grenzzaun zu Kroatien gebe, aber "ich sehe eine Form des Hinnehmens". Er berichtete von einer "Atmosphäre des guten Willens". Die nachbarschaftliche Beziehung sei nach den beiden Gesprächen "jetzt besser als noch heute morgen um 8 Uhr". (APA, nim, 25.9.2015)

Stramm posieren vor den Flaggen, jeder vor seiner: Der ungarische Premierminister Viktor Orbán stattete am Freitag den westlichen Nachbarn einen Besuch ab. Zuerst ging es zu Bundeskanzler Werner Faymann ins Bundeskanzleramt. Nicht medienöffentlich. Darum gibt es von der Begegnung auch nur zwei Fotos, festgehalten für die Nachwelt und die Öffentlichkeit vom Fotografen des Bundeskanzleramts.

Foto: Andy Wenzel

Foto Nummer zwei zeigt: Die EU-Flagge wird bei so einem Treffen natürlich aufgestellt, auch wenn es derzeit rund um die Flüchtlingskrise in Europa ziemlich knirscht. Das tut es auch zwischen Faymann und Orbán. Nach dem laut Faymann eineinviertelstündigen Gespräch der beiden wurde "keine konkrete Annäherung" festgestellt. Man trat denn auch lieber getrennt vor die Medien. Faymann wusste von "korrekten" Beziehungen zu berichten, griff allerdings auch zum Wort "Spannungsverhältnis".

Foto: Andy Wenzel

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Der Besuch bei Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war insofern etwas entspannter, als Orbáns Partei Fidesz und Mitterlehners ÖVP auf europäischer Ebene quasi politische Geschwister sind. Beide gehören im EU-Parlament der Fraktion der Europäischen Volkspartei an.

Foto: APA / Georg Hochmuth

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Der Vizekanzler und ÖVP-Chef verbrachte etwa eine Stunde mit dem Gast aus Ungarn. Danach teilte Mitterlehner der Öffentlichkeit via Aussendung mit: "Mit dem Zaun zu Serbien schützt Ungarn seine Schengen-Außengrenze." Und das sei zu respektieren.

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

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Die Stimmung war sichtlich gelöst. Mitterlehner beschrieb die Begegnung mit Orbán als "gut und sachlich. Gute nachbarschaftliche Beziehungen sind zur Lösung der Flüchtlingsthematik wichtig, denn das wird uns noch Jahre beschäftigen." Orbán resümierte die zwei Treffen als beziehungsverbessernd, denn die nachbarschaftliche Beziehung sei "jetzt besser als noch heute morgen um 8 Uhr".

Foto: APA / Georg Hochmuth

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Hier geht's lang: Vor laufenden ORF-Kameras hatte der ungarische Premier Österreich am Mittwoch bei einem Treffen mit Mitterlehner in Brüssel bereits mitgeteilt, dass er sich als Österreichs "Beschützer" versteht: "Wenn wir Migranten nur auf kontrollierten Wegen durchlassen, dann ist euer Problem gelöst. Daran arbeite ich, ich bin euer Beschützer."

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

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Ein am Donnerstagnachmittag angekündigtes Treffen mit FPÖ-Chef Heinz-Christian wurde übrigens Donnerstagabend von der ungarischen Botschaft öffentlich dementiert. Straches Sprecher erklärte am Freitag, dass es eine Anfrage aus Budapest gegeben habe. Dann habe man aus Ungarn aber gehört, dass der Termin nicht zustande komme. Orbán sagte zum nicht realisierten Termin mit Strache, seine "Partner in der Regierung haben mich gebeten, das nicht zu tun. Ich habe diesem Wunsch Folge geleistet."

Foto: APA / Georg Hochmuth