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Die Aufgabenliste für den neuen VW-Chef ist lang. Zunächst gilt die Aufmerksamkeit der Aufklärung der Abgasaffäre.

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Wolfsburg – Vor einer Woche war die VW-Welt noch in Ordnung. Martin Winterkorn hatte nach dem gewonnenen Machtkampf mit Ferdinand Piech seine Position gestärkt und präsentierte sich selbstbewusst auf der IAA. Davon ist nichts übrig.

Wie geht es weiter bei Volkswagen?

Volkswagen muss ohne Winterkorn weitermachen – der Abgasskandal hat den eigentlich fester denn je im Sattel sitzenden Konzernboss innerhalb weniger Tage aus dem Amt gefegt. Am Freitag dürfte die Affäre weitere Manager das Amt kosten. Noch immer sind die Folgen, die das Desaster für Europas größten Autobauer haben wird, nicht absehbar.

Fest steht: Auf den neuen Chef wartet eine riesige Herausforderung, denn schon in normalen Zeiten ist ein Konzern wie Volkswagen mit seinen Baustellen und weltweit rund 600.000 Mitarbeitern schwer zu führen. Wie geht es nun weiter im Zwölf-Marken-Imperium?

Was passiert heute?

In Wolfsburg tagt am Vormittag der Aufsichtsrat der Volkswagen AG. 20 Mitglieder hat das Gremium – sie müssen die Weichen für den Neuanfang stellen. Sie entscheiden, wer Nachfolger von Winterkorn wird. Und aller Voraussicht nach werden die Aufseher auch noch eine Reihe anderer Personalentscheidungen treffen. Dabei standen für die turnusmäßige Sitzung auch ohne Abgasskandal gewichtige Themen an – darunter die Entscheidung über die noch von Winterkorn entworfene neue Struktur für den Riesenkonzern. Damit sollte VW schneller und vor allem besser werden.

Wer wird neuer VW-Chef?

Es gibt zwei Favoriten auf die Winterkorn-Nachfolge. Doch auch Überraschungen sind bei Volkswagen nie auszuschließen. Bisher sieht es so aus, dass Porsche-Chef Matthias Müller das Rennen machen könnte. Aber auch der seit Juli als VW-Markenchef amtierende Ex-BMW-Vorstand Herbert Diess hat Chancen. Für Müller spricht, dass er den Konzern gut kennt und als erfahrener Automanager gilt – und auch Rückhalt im Management hat. Diess jedoch hat einen Vorteil, der vor dem Skandal noch als Nachteil gegolten hätte: Er ist erst kurz bei VW. Daneben sollen noch Kandidaten wie Lkw-Chef Andreas Renschler im Rennen sein.

Welche Personalien gibt es noch?

Es wird erwartet, dass infolge des Skandals weitere Manager ihren Job verlieren – etwa in den Vorständen der VW-Töchter oder bei anderen Gesellschaften. Bisher hat sich Volkswagen dazu nicht geäußert. Nach Informationen aus Konzernkreisen sollen aber Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg und Porsche-Forschungsvorstand Wolfgang Hatz ihre Posten räumen. Daneben soll es nach unbestätigten Angaben weitere Wackelkandidaten geben.

Welche Aufgaben warten auf den neuen Chef?

Die Liste ist lang. Doch zunächst muss die größte Aufmerksamkeit wohl dem Abgasskandal gelten. Der kann sich angesichts drohender Milliardenstrafen, unabsehbar vieler Klagen und Prozesse sowie Kosten für die Nach- und Umrüstaktionen der betroffenen Fahrzeuge rasch zu einer bedrohlichen Mischung entwickeln. Hart aufklären, rücksichtlos aufräumen und glaubwürdig neu beginnen muss der Neue auf jeden Fall. Daneben warten weitere Probleme: Die neue Struktur muss mit Leben gefüllt werden, VW muss etwa in China und anderen wichtigen Schwellenländern Antworten auf die schlechte Wirtschaftslage finden. Dazu kommen die Digitalisierung und neue Rivalen aus der IT-Branche sowie der schleppende Ausbau der Elektromobilität.

Was muss der künftige Chef noch leisten?

"Wir brauchen für die Zukunft ein Klima, in dem Probleme nicht versteckt, sondern offen an Vorgesetzte kommuniziert werden", sagt Betriebsratschef Bernd Osterloh. Der mächtige Arbeitnehmervertreter spielt damit auf ein Thema an, das VW schon länger beschäftigt: Es herrscht ein straffer Führungsstil, manche Manager sprechen von einem Klima der Angst. Schon früher gab es Berichte über Techniker, die weinend aus Produktabnahme-Gesprächen kamen. Osterloh sagt es so: "Wir brauchen eine Kultur, in der man mit seinem Vorgesetzten um den besten Weg streiten kann und darf. Wir brauchen eine Kultur, in der alle Abteilungen zusammenarbeiten, um Probleme zu lösen."

Wie geht es im Abgasskandal weiter?

Der neue VW-Chef muss die Affäre aufklären, aufarbeiten und vor allem versuchen, den Schaden zu begrenzen. Noch immer ist unklar, wie viele Autos betroffen sind, was und wo manipuliert wurde. Noch weniger absehbar ist, was juristisch auf den Konzern und seine Manager zukommt. VW selbst hat Strafanzeigen angekündigt, in etlichen Ländern ermittlen Staatsanwälte, es gibt Prüfungen – von teuren Zivilklagen ganz zu schweigen. Welche Strafe VW in den USA wird zahlen müssen, ist noch offen. Schlimmstenfalls könnte sich allein dieser Posten auf 18 Milliarden Dollar summieren.

Was macht die Politik?

In Bedrängnis gerät VW auch politisch. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat eine Untersuchungskommission nach Wolfsburg geschickt, die deutschen Grünen fordern Tests auch bei anderen Autoherstellern. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nannte die Manipulationen in den USA "völlig inakzeptabel", auch Kanzlerin Angela Merkel verlangte eine rasche und vollständige Aufklärung. Es gibt aber auch Vorwürfe an die Politik, von den Schummeleien bei Abgaswerten jahrelang gewusst zu haben. (APA, 25.9.2015)