Im Büro von Heinz-Christian Strache hängen mehrere Porträtfotos des FPÖ-Chefs in Siegerpose. In Wien strebt er weiter den Bürgermeistersessel an, für den nicht amtsführenden Vizebürgermeister stünde er nicht zur Verfügung. Für Oberösterreich erwartet Strache das historisch beste Ergebnis seiner Partei.

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Wien – Nur wenn die FPÖ bei der Wien-Wahl am 11. Oktober den ersten Platz erreicht und danach den Bürgermeister stellt, will Heinz-Christian Strache auch tatsächlich den Nationalrat verlassen, um in Wien zu regieren. Sollte er das Ziel nicht erreichen, will er Johann Gudenus zum Vizebürgermeister machen, sagte Strache im STANDARD-Interview.

Darin kündigt er Einsparungen an – allerdings ohne konkrete Vorschläge. Als Bürgermeister würde er eine Sicherheitswacht installieren, wenn die vom Innenministerium versprochenen 1.500 Polizisten nicht nach Wien kommen. Er will 10.000 Gemeindewohnungen pro Jahr errichten. Volksabstimmungen sollen schon bei 10.000 bis 15.000 Unterschriften verbindlich sein.

STANDARD: Lassen Sie uns über Wien reden. Oder wollen Sie doch nicht mehr Bürgermeister werden, sondern Bundespräsident? Das könnte man meinen, wenn man Ihr Video auf Youtube gesehen hat.

Strache: Ich will Bürgermeister werden. Dazu müssen wir in Wien stärkste Kraft werden. Meine Rede ist zwei Millionen Mal gesehen worden. Das freut einen.

STANDARD: Sie haben den Wiener Beamten eine Jobgarantie ausgesprochen. Warum eigentlich?

Strache: Weil die SPÖ behauptet, dass die Beamten ihren Job verlieren würden, wenn ich Bürgermeister werde. Das Gegenteil ist der Fall. Ich brauche die Beamten, um etwas zu verändern.

STANDARD: Kein Aufnahmestopp?

Strache: Nein, eine Optimierung der Strukturen. Die Parksheriffs kann man vielleicht in anderen Bereichen besser einsetzen.

STANDARD: Zum Beispiel?

Strache: Wenn die versprochenen 1.500 zusätzlichen Planstellen für die Polizei nicht umgesetzt werden, dann würde ich 1.500 Personen bei einer Sicherheitswacht nach bayrischem Vorbild anstellen. Sie werden von der Exekutive ausgebildet, sind aber der Stadt unterstellt. Sie sollen helfen, die Sicherheit zu optimieren: in Verkehrsmitteln, in Parkanlagen.

STANDARD: Wären die Mitarbeiter der Sicherheitswacht bewaffnet?

Strache: Ja, so wie die deutsche Sicherheitswacht sollen sie einen Pfefferspray und einen Schlagstock haben. Sie verständigen dann die Exekutive.

STANDARD: Damit würde die Anzahl der öffentlich Bediensteten aber eher steigen als sinken.

Strache: Vielleicht kann man hier umschichten, wenn sich aus dem bestehenden Apparat Leute für die Sicherheitswacht melden.

STANDARD: In Oberösterreich gibt es Aufregung um den FPÖ-Kandidaten Ralf Schäfer, der eine "Bürgerwehr" gegründet habe. Ist das in Ihrem Sinn?

Strache: Ich bin gegen Bürgerwehren, Sicherheit ist eine staatliche Aufgabe. Den Fall wird die Landesgruppe bewerten müssen.

STANDARD: Sie kritisieren immer wieder, dass Wien hoch verschuldet ist. Wo würden Sie sparen?

Strache: Es braucht einen Kassasturz und eine Transparenz der Stadtbudgets. Man könnte Geld freispielen für wirklich notwendige Maßnahmen wie Arbeitsmarktinitiativen und Wirtschaftsimpulse. Damit das Geld den Bürgern zugutekommt und nicht etwa parteinahen Vereinen wie der Sozialistischen Jugend.

STANDARD: Das kann nicht der größte Brocken sein. Beziffern können Sie die Einsparungen nicht?

Strache: Nein. Wir haben keinen Einblick. Ich kann erst nach einem Kassasturz seriös sagen, wo Gelder verpufft sind.

STANDARD: Michael Häupl hat angekündigt, pro Jahr 10.000 Wohnungen zu bauen und in den kommenden Jahren 2.000 Gemeindewohnungen. Wie würden Sie für günstigen Wohnraum sorgen?

Strache: Wir sollten schauen, dass wir über 10.000 Gemeindewohnungen pro Jahr schaffen, um der Mietpreisexplosion am privaten Sektor gegenzusteuern.

STANDARD: Warum hat die FPÖ im Gemeinderat 2013 gegen ein Wohnbaudarlehen zum Erhalt der Gemeindewohnungen gestimmt?

Strache: In diesen Gesetzestexten sind immer Dinge versteckt, die negativ sind. Es gibt Firmengeflechtstrukturen in der Stadt Wien, die parteinah sind. Es wird überteuert gebaut, zum Beispiel auch bei den U-Bahnen.

STANDARD: Sie fordern auch mehr Mitsprache der Bürger. Wie könnte so ein Modell in Wien aussehen?

Strache: Wir haben seit Jahren klare Vorstellungen nach dem Vorbild der Schweiz. Bei 10.000 bis 15.000 beglaubigten Unterschriften kann man eine Volksabstimmung abhalten.

STANDARD: Wenn 10.000 sagen, sie wollen die Nacht-U-Bahn abschaffen, dann würde das umgesetzt?

Strache: Ich halte den Bürger für sehr mündig und klug.

STANDARD: In Ihrem Büro ist Ihr Gesicht omnipräsent, wie in ganz Wien. Was kostet der Wahlkampf?

Strache: Wir halten uns penibel an die Sechsmillionengrenze.

STANDARD: Auf Facebook teilten Sie schon Seiten, die Verschwörungstheorien beinhalteten, manchmal auch nur Satire und bekamen dafür Häme. Warum passiert das?

Strache: Facebook ist ein schnelllebiges Medium. Die Inhalte sind nicht immer nur ernsthaft, sondern auch lustig. Wahrscheinlich habe ich beim Teilen den einen oder anderen Fehler gemacht. Manchmal ist die Satire so nah an der Realität, dass man gar nicht mehr unterscheiden kann.

STANDARD: In den Facebook-Postings gibt es auch sehr viel Hetze. Sie haben angekündigt, dagegen etwas unternehmen zu wollen.

Strache: Wir versuchen nach unseren Kräften und Möglichkeiten, Postings zu entfernen. Wir haben auch Dinge zur Anzeige gebracht.

STANDARD: Sollten Sie 34 Mandate erreichen, steht der FPÖ ein Vizebürgermeisterposten in Wien zu. Sie wollen Johann Gudenus dafür. Warum nicht Sie selbst?

Strache: Ich stehe nur als Nummer eins zur Verfügung. Wenn das nicht gelingt, macht es keinen Sinn, als nicht amtsführender Vizebürgermeister zu agieren.

STANDARD: Könnte man diesen Posten nicht gleich abschaffen?

Strache: Nein. Immer dann, wenn uns die Bevölkerung so stark macht, dass uns gewisse Ämter zustehen, die in der Verfassung als Kontrollmechanismus vorgesehen sind, dann kommen alle auf die Idee, sie abzuschaffen. Das ist eine Lex FPÖ.

STANDARD: Burschenschafter Gudenus ist mit sehr heftigen Aussagen aufgefallen. Er sprach von Türkenbelagerung, Umvolkung et cetera. Ist er damit kein Risiko für die Partei?

Strache: Im Gegenteil. Er ist ein exzellenter politischer Verantwortungsträger. Dass man da oder dort das ein oder andere überspitzt formuliert, gehört dazu.

STANDARD: Zur Flüchtlingskrise haben Sie im Interview mit dem "Kurier" angedeutet, dass man als Wiener Bürgermeister hier nicht viel tun könne. Gaukeln Sie den Wienern mit den FPÖ-Plakaten etwas vor?

Strache: Man hat als Bürgermeister beschränkte Möglichkeiten. Da muss man ehrlich damit umgehen. Aber Häupl schweigt seit Jahren zu Fehlentwicklungen seines Parteifreundes Werner Faymann. Stattdessen braucht man einen Bürgermeister, der sagt, ich lasse die Wienerinnen und Wiener nicht im Stich. Und dort, wo ich kann, schaffe ich Sicherheit selbst.

STANDARD: Für die Sicherheit wollen Sie einen Zaun um Österreich errichten. 1989 haben Sie laut eigenen Angaben DDR-Bürgern Care-Pakete über den Zaun geworfen. Waren Sie ein Invasionskollaborateur, wie Ihr Sprecher Leute bezeichnet, die Flüchtlingen helfen?

Strache: Nein. Das war eine völlig andere Situation, wo ein Staat aufgrund von grausigen Kriegen getrennt wurde und dann wieder zusammenwuchs. Aktuell haben wir es mit einer Völkerwanderung aus anderen Kontinenten zu tun.

STANDARD: Waren DDR-Flüchtlinge für Sie Wirtschaftsflüchtlinge?

Strache: Das waren doch keine Wirtschaftsflüchtlinge! Dieser Vergleich ist unredlich. Genauso wie der Vergleich mit der Ungarn-Krise und der Krise in Ex-Jugoslawien, wo Österreicher selbstverständlich gerne geholfen haben.

STANDARD: In der Flüchtlingssituation zeichnet sich Österreich durch eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Was haben Sie konkret getan?

Strache: Ich freue mich über jeden, der sich hilfsbereit engagiert, weil das großartige Leistungen sind, bis hin zum Assistenzeinsatz des Bundesheers.

STANDARD: Ja, aber was haben Sie getan?

Strache: Jeder Österreicher wird aufgrund der verfehlten Politik heute genötigt Steuern zu zahlen.

STANDARD: Waren Sie am Westbahnhof oder haben Sie gespendet?

Strache: Ich bringe seit Jahren immer Hilfeleistungen gegenüber jenen, die ich kenne und von denen ich weiß, die brauchen es. Auch für Menschen mit Migrationshintergrund.

STANDARD: Syrische Kriegsflüchtlinge brauchen nichts?

Strache: Doch. Da hat der Staat Verantwortung – und für die haben wir finanziell aufzukommen. Aber es gibt kein Menschenrecht auf Wohlstandszuwanderung.

STANDARD: Ihr Ziel für Oberösterreich?

Strache: Wir wollen die 20-Prozent-Marke überspringen und das historisch beste Ergebnis für die FPÖ erreichen. Es wird zeigen, dass wir in Wien wesentlich erfolgreicher sein können.

STANDARD: Zurück nach Wien. Was mögen Sie an Michael Häupl?

Strache: Er kann, so höre ich, gemütlich sein. Ich habe das noch nicht an ihm entdeckt. Gemütlichkeit gehört auch dazu, aber nur gemütlich sein ist zu wenig. (Rainer Schüller, Rosa Winkler-Hermaden, 25.9.2015)