Es ist wirklich bedauerlich, dass der Mann mit den schärfer werdenden Knitterfalten um die Augen neben dem Bürgermeister von Wien nicht auch den Landeshauptmann von Oberösterreich darstellen kann, ehe er sich nächstes Jahr den Wunsch erfüllt, den Bundespräsidenten auch noch zu spielen. Einer muss sich doch dieses Landes erbarmen, es endlich vom Diktat der Altparteien erlösen, und glaubt man den Umfragen und dem Boulevard, dann ist er der Erfüllung seines patriotischen Herzenswunsches so nah wie noch nie. Es brennt ihm lichterloh unter den Nägeln, dieses Gemeinwesen in eine Insel der Seligen ausschließlich für unsere Leut' zu verwandeln, sicher abgeschottet von all den Kriminellen, die nur darauf aus sind, den bodenständigen Volkskörper auszusaugen und kulturell zu überfremden.

Und Respekt für unsere Kultur ist es schließlich, worauf alles ankommt. Schöner, als sein Wiener Kultursprecher es neulich im STANDARD tat, kann man es nicht formulieren. Sieht er im gegenwärtigen Wiener Kulturleben nur "Anbetung der Asche", zu der auch noch alljährlich Millionen Ausländer herbeipilgern, versteht er unter besagtem Respekt, "dass wir eine angestammte Kultur hier haben, die seit Jahrtausenden gewachsen ist, und dass man Rücksicht nehmen muss, dass die nicht verloren geht". Seit Jahrtausenden gewachsen, und nun von nicht Angestammten bedroht – das darf nicht sein! Der Angestammte, der hier vor Jahrtausenden treu am Faustkeil festhielt, als anderswo erst Pyramiden gebaut wurden – ist es nicht ein kultureller Segen, dass wenigstens eine Partei den gesunden Sinn für das Angestammte bewahrt und einer Kultur des Zuschlagens das Wort redet? Hundert Millionen ließen sich bei der Kultur in Wien locker einsparen, wenn Strache Bürgermeister wird, lautet ein blaues Wahlversprechen. Dafür soll mehr Polizei auf den Straßen das Sicherheitsgefühl der Wiener unterminieren – irgendwoher muss das Geld ja kommen.

Strache hat diesmal einige Wahlhelfer, und man sollte nicht alles auf die Flüchtlinge schieben. Die FPÖ hat in den Umfragen schon zugelegt, ehe der große Strom einsetzte. Da ist einmal die Tatsache, dass die Österreicher im Durchschnitt seit einem Jahrzehnt von sinkenden Einkommen leben müssen und die Koalitionsregierung daran nichts ändern konnte. Die Angst vor einem drohenden sozialen Abstieg ist die Ursache für die Trotzreaktion vieler, die zwar genau wissen, dass von der FPÖ kein Heil zu erwarten ist, sie aber dennoch wählen, um Rote und Schwarze für ihr Unvermögen zu bestrafen. Dass in einem solchen Klima mit Fremdenfeindlichkeit umso leichter Geschäfte zu machen sind, ist ein Patentrezept, auf das schon die Nazis bauten.

Der größte Wahlhelfer der FPÖ ist aber eine Volkskrankheit, die nicht nur medizinisch, sondern auch politisch auftritt: Demenz. Nichts, was Strache bietet, ist originell oder konstruktiv, alles hat Jörg Haider, als dessen Aufguss er agiert, schon vorgeführt, mit den größeren Möglichkeiten eines Landeshauptmanns, und dementsprechend mit einem verheerenden Schaden, weit über sein Bundesland hinaus. Niemand kann nachher sagen, man hätte es nicht gewusst. (Günter Traxler, 24.9.2015)