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Laut Statistik entwickelt jeder dritte Europäer im Laufe seines Lebens Krebs.

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Arzt und Patient in einer medizinischen Partnerschaft: Das betrifft nicht nur die Mitarbeit, sondern auch die Entscheidungsfindung.

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Wien – Statistisch gesehen entwickelt jeder dritte Europäer im Laufe seines Lebens Krebs. Die Diagnose trifft die meisten Menschen unerwartet. "In dieser existenzbedrohenden Situation schalten viele Patienten einfach ab", sagt Hellmut Samonigg. Er ist Präsident der Gesellschaft für Hämatologie & Onkologie und Leiter der Onkologie an der Medizinischen Universität Graz. Er verlegt dann das Gespräch auf einen anderen Tag. Ist der erste Schock erst einmal überwunden, beginnen Patienten, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen, denn das Ziel sei eine Zusammenarbeit mit dem Arzt.

Nach Einholen einer zweiten Meinung geht es darum, sich für einen therapieführenden Arzt zu entscheiden. Maria Kletecka-Pulker von der Plattform Patientensicherheit rät davon ab, online nach einem Arzt zu suchen: "Bewertungen im Internet sind subjektiv, da auch alle Krankengeschichten unterschiedlich sind, hier ist Vorsicht geboten", warnt sie. Die meisten Patienten vertrauen auf Empfehlungen von Bekannten, Verwandten oder Freunden, weiß Agnes Ujfalusi. Sie ist Organisatorin der Cancer School CCC Vienna, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Laien komplexe onkologische Themen einfach und verständlich zu erklären.

Sympathie und Vertrauen

Ist ein Arzt gefunden, bei dem man sich auch menschlich wohlfühlt, ist es ratsam, eine Begleitperson zum Beratungsgespräch mitzunehmen, "damit Informationen auch im Nachhinein besprochen werden können", sagt Ujfalusi. Was ein guter Arzt macht? Er erkundigt sich nach dem Vorwissen des Patienten und passt seine Erklärungen an dessen Wissensstand an. Die Verantwortung zwischen Arzt und Patient ist wechselseitig: "Der Patient steuert den Arzt in der Geschwindigkeit, in der er Erkrankung und Therapien erklärt", so die Spezialistin.

Patienten würden sich aber oft nicht trauen, nachzufragen oder den Arzt zu bitten, einen Sachverhalt zu wiederholen, sagt Kletecka-Pulker aus Erfahrung. Hin und wieder heiße es da leider auch: "Das brauche ich nicht erklären, die verstehen es sowieso nicht."

Wichtige Fakten, für Arzt wie Patient: "Wann hatten Sie die ersten Symptome? Welche Krankheiten gibt es in Ihrer Familie? Welche Medikamente nehmen Sie regelmäßig?" Der neueste Trend in der Arzt-Patienten-Kommunikation ist das sogenannte "Shared Decision Making". Dabei werden Patienten in medizinische Entscheidungen mit eingebunden. Die Idee: Aus dem passiven Empfänger werden Patienten zu Mitspielern, die sich aktiv für ihre Gesundheit einsetzen. Studien haben gezeigt, dass diese Strategie große Vorteile im Behandlungs- und Therapieprozess bringt.

Medizinische Partnerschaft

"Arzt und Patient sollten gleichwertige Partner sein", sagt Kletecka-Pulker. Laut Samonigg gibt es jedoch nach wie vor viele Patienten, die sich gänzlich in die Hände des Arztes begeben. Dies sei sogar die Mehrzahl. "Manche Patienten sagen bewusst, dass sie gar nicht alles über ihre Krankheit wissen wollen."

Alle anderen googeln, laut Ujfalusi sind das etwa 70 Prozent: "Dabei ist es besonders wichtig, nur nach Informationen zu suchen, die nicht interessengeleitet sind, etwa von Pharmafirmen ins Web gestellt wurden." Kletecka-Pulker kennt die Problematik, die auch in der Bioethikkommission diskutiert wurde. Hier fordert man eine bessere Kennzeichnung. Dass weniger gut Informierte im Vergleich zu belesenen Patienten im Nachteil sind, glaubt Kletecka-Pulker nicht: "Ein Arzt muss alle Alternativen aufzeigen."

Dass einem Patienten eine bestimmte Behandlung oder etwa die Teilnahme an einer Studie entgeht, weil er es nicht von selbst vorschlägt und der Arzt nicht darauf hinweist, kann Kletecka-Pulker sich nicht vorstellen. Auch Samonigg ist dieser Meinung: "Zumindest am Beginn einer Erkrankung sollte jeder Patient eines der großen Onkologie-Zentren in Wien, Innsbruck oder Graz aufsuchen. Wer sich dort behandeln lässt, wird sicher nicht benachteiligt."

Hilfe annehmen

Neben organisatorischen Aufgaben zwischen Arzt und Patient hat die Diagnose Krebs vor allem auch Auswirkungen aufs Privatleben. Wenn kein Zweifel an der Diagnose besteht, müssen Familie, Freunde und Arbeitgeber informiert werden. "Dabei sollte man so offen wie möglich sein", sagt Kletecka-Pulker. Das erleichtere den Alltag erheblich. Hilfe annehmen ist ausdrücklich erlaubt. Freunde und Familie können bei gewöhnlichen Aufgaben, etwa im Haushalt, große Erleichterung bringen. Um Gefühle und Ängste zu besprechen, kann eine Selbsthilfegruppe sinnvoll sein.

Bleibt dann also, sich auf die von den Ärzten prognostizierten Mühen der Krebstherapie einzustellen, über Ernährung und Lebensstil in dieser Zeit nachzudenken. Mit der Krankenkasse ist jetzt zu klären, welche Kosten übernommen werden. Zur Übersicht ist eine Mappe, in der Dokumente gesammelt werden, hilfreich. Es kann dazu beitragen, über die Monate die Kontrolle über die Therapie zu bewahren und die Behandlung besser durchzustehen. (Bernadette Redl, 29.9.2015)