Die EU reagiert derzeit auf zweierlei Weise auf die massive Flüchtlingsbewegung aus dem Nahen Osten: mit einem offiziellen Aktionsplan mit lauter grundsätzlich sinnvollen Maßnahmen, die allerdings wenig bringen werden – und mit einer Reihe unkoordinierter nationaler Grenzsperren, die möglicherweise wirken, aber zu dem Preis von großem menschlichem Leid.

Zuerst zu den Beschlüssen des EU-Gipfels von Mittwochabend: Die Flüchtlingshilfe in den syrischen Nachbarländern aufzustocken ist notwendig. Aber eine Milliarde Euro ist zu wenig, und die Geldspritze kommt zu spät, um den gegenwärtigen Menschenstrom zu stoppen. Die Mittel hätten in den vergangenen beiden Jahren fließen müssen, als der Exodus aus der Türkei schon absehbar war.

Wie schützt man die EU-Außengrenze?

Die versprochene bessere Sicherung der EU-Außengrenzen dürfte an geografischen Gegebenheiten scheitern. Eine Seeblockade rund um hunderte griechische Inseln ist undurchführbar. Europa hat an seiner Südostflanke keine geschlossenen Grenzen, an denen verzweifelte Flüchtlinge abgehalten werden können.

Es ist auch völlig unklar, wie die geplanten Hotspots in Griechenland und Italien funktionieren sollen. Man kann dort versuchen, die Flüchtlinge besser zu betreuen. Aber ohne eine nachhaltige Verteilung der Menschen in den EU-Staaten, die politisch weiterhin nicht durchsetzbar ist, werden solche Einrichtungen logistisch sofort überfordert.

Und auch die rasche Abschiebung von nicht Asylberechtigten ist schwieriger, als sie klingt: Herkunftsstaaten sind oft unklar, und viele nehmen gescheiterte Asylwerber gar nicht zurück.

Es staut sich in Griechenland

Gleichzeitig mit den zahnlosen EU-Beschlüssen gehen die Grenzbalken auf der Westbalkanroute zu: Nach Ungarn schließt auch Kroatien die Grenze zu Serbien, Serbien selbst dürfte bald das Gleiche mit Mazedonien tun. Am Ende werden sich hunderttausende Flüchtlinge in Griechenland stauen, das auch mit etwas mehr EU-Hilfe diese Situation nicht bewältigen kann.

Solche Bilder der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit von Menschen, die vor geschlossenen Grenzen stehen oder in überfüllten Lagern und Quartieren monatelang ausharren müssen, sind am ehesten geeignet, andere davon abzuhalten, die Überfahrt nach Griechenland erst gar nicht anzutreten. Aber es wird lange dauern, bis der Mythos des offenen Zufluchtslandes Deutschland, der eine solche Anziehungskraft ausübt, wieder erlischt.

Verstoß gegen europäische Grundwerte

Die Bilder des Schreckens, die eine Politik der geschlossenen Grenzen bis dahin hervorrufen wird, verstoßen jedoch gegen europäische Grundwerte und sind daher kaum tolerierbar.

Wie die EU aus diesem Dilemma herausfinden wird, ist auch auf dem Brüsseler Gipfel nicht klarer geworden. (Eric Frey, 24.9.2015)