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Neue EU-weite Standards sollen ausgearbeitet werden, die festlegen sollen, wie Grenzen künftig gesichert werden sollen.

Foto: APA/EPA/NIKOS ARVANITIDIS

Wenn es je einen Zweifel daran gab, dass ein Sondertreffen der EU-Regierungschefs zur Flüchtlingskrise notwendig war, dann hat ihn die EU-Kommission am Mittwoch eindrucksvoll ausgeräumt. Während die meisten Staatschefs sich gerade erst auf den Weg in Richtung der belgischen Hauptstadt machten, gab die Kommission bekannt, dass sie 40 neue Vertragsverletzungsverfahren wegen des Bruchs von Asylrecht in Europa eingeleitet hat. Betroffen ist auch Österreich.

75 Vertragsverletzungsverfahren

Die EU baut seit 15 Jahren an einem "europäischen Asylsystem". Es gibt Richtlinien, die regeln, wie Mindeststandards in Asylverfahren aussehen müssen und wie Flüchtlinge versorgt werden sollen. Doch der Schritt der Kommission macht deutlich, dass sich kaum ein Land an die Bestimmungen hält. Rechnet man ältere Fälle dazu, dann laufen aktuell 75 Vertragsverletzungsverfahren gegen EU-Länder wegen des Bruchs oder Mängeln im Asylrecht. Nur fünf Staaten, darunter Portugal und die Niederlande, halten sich an alle Regeln.

Wobei nicht alle Länder gleich säumig sind. Griechenland wird erneut vorgeworfen, Flüchtlinge nicht ausreichend zu versorgen. Für Spanien und Bulgarien gab es ebenfalls harsche Kritik wegen der Nichtumsetzung der Regel über die Rechte von bereits aufgenommenen Flüchtlingen, etwa beim Arbeitsmarktzugang.

Das gegen Österreich, aber auch Deutschland und 17 andere Länder eingeleitete Verfahren betrifft eine heikle Richtlinie, jene über die Versorgung von Asylwerbern. Doch noch bemängelt die Kommission nur, dass Österreich und die anderen Staaten Brüssel nicht rechtzeitig über die Umsetzung einer Reform dieser Richtlinie im Jahr 2013 informiert hatten.

Klarheit schaffen

Mit einem Schreiben wird Wien nun aufgefordert, Klarheit zu schaffen. Die Mahnbriefe sind der erste Schritt des Vertragsverletzungsverfahrens, das vor dem Gerichtshof der EU und mit einer Geldstrafe enden kann. In einer ersten Reaktion aus dem Innenministerium in Wien hieß es, dass man davon ausgeht, die entsprechenden EU-Neuregelungen bereits umgesetzt zu haben.

Dass die EU-Regeln auf breiter Front ignoriert werden, war aber nur eines der heiklen Themen beim Gipfeltreffen. Die Regierungschefs sollten sich auch mit dem Schutz der Außengrenzen auseinandersetzen. EU-Ratspräsident Donald Tusk bezeichnete die "Rückgewinnung der Kontrolle an den Außengrenzen" sogar als wichtigstes Thema überhaupt.

Dichte Grenzen

Dabei drängten mehrere Regierungschefs darauf, die griechisch-türkische Grenze irgendwie zu schließen. Eine Option ist eine stärkere Präsenz der EU-Grenzschutzbehörde Frontex vor Ort, um der griechischen Polizei zu assistieren. "Ohne dass diese Grenze geschlossen wird, kann man die Asylkrise nicht lösen", sagte ein ranghoher EU-Diplomat.

Erwogen wird zudem die Ausarbeitung EU-weiter Standards, die festlegen sollen, wie Grenzen künftig befestigt werden sollen. Aktuell gibt es dazu keine Regelungen. Das Thema ist aber selbst im Kreise der Regierungschefs emotional. So haben Kanzler Werner Faymann und Frankreichs Staatschef François Hollande Ungarn wegen der Errichtung des Zauns zu Serbien scharf kritisiert.

Um die Kontrolle zurückzugewinnen, will die EU aber auch dafür sorgen, dass sich weniger Flüchtlinge auf den Weg Richtung Europa machen. Daher sollen die Finanzhilfen an Syrien, aber auch an die übrigen Länder in der Region, besonders die Türkei, erhöht werden. UN-Organisationen beklagen eine starke Unterfinanzierung.

1,7 Milliarden Euro

Aktiv geworden ist zunächst die EU-Kommission: Sie gab bekannt, zusätzlich 1,7 Milliarden Euro bereitstellen zu wollen. Das Geld soll insbesondere den von der Flüchtlingskrise am meisten betroffenen EU-Ländern dienen. Für 2015 und 2016 waren laut EU-Budgetkommissarin Kristalina Georgieva ursprünglich 4,5 Milliarden Euro Ausgaben in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise vorgesehen. Inzwischen sei die Summe seit Jahresbeginn auf mehr als 9,2 Milliarden Euro erhöht worden.

Mit den zusätzlichen Mitteln soll auch die geplante Umverteilung von 160.000 Asylwerbern aus Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten finanziert werden. Jedes Land, das Flüchtlinge aufnimmt, bekommt pro Asylwerber 6000 Euro. Die EU-Innenminister hatten sich am Dienstagabend per Mehrheitsbeschluss auf den Verteilungsplan geeinigt. (András Szigetvari aus Brüssel, 24.9.2015)